
Dream Wife - So when you gonna...
Lucky Number / Rough TradeVÖ: 03.07.2020
All the girls
"So when you gonna...". Wer solch einen Albumtitel wählt, lässt einiges in der Schwebe. Dream Wife aus London haben diesen Namen ausgesucht, um aufzuzeigen, dass ihre zweite Platte ein Call to action ist, dass sich in ihr das Potential und der Startpunkt für (weibliche) Selbstverwirklichung wiederfindet. Dazu passt, dass das Trio einen Podcast gestartet hat, der sich mit femininen Akteuren in der Musikindustrie auseinandersetzt. Obendrein wurde jeder Arbeitsaspekt des Albums, ob Produktion oder Mixing, von Frauen erledigt. In dieser Hinsicht sind Dream Wife also äußerst konsequent. Doch, obwohl "So when you gonna..." sich zentral mit Selbstbehauptung und Versicherung der eigenen Identität beschäftigt, schließt diese Platte niemanden aus, der ein gewisses Maß an Toleranz und Emphatie aufbringt. Denn diese Platte hat einen runden Schönklang, nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit und ein großes Maß an konstruktiver Energie.
Zunächst fällt auf, dass der Groove inzwischen eine gehobene Rolle spielt. Die Rhythmusgruppe punktet gehörig und setzt voluminöse Akzente. Dies zeigt sich direkt in "Sports!", welches, indem es freidrehend die Wave-Disco anschmeißt, beweist, dass auch ernste Anliegen mit einem Schuss Albernheit aufgelockert werden können, "Chose your player!". Deutlich gesetzter ist "Hasta la vista", welches Herzschmerz in üppige Bassläufe übersetzt. Der Gesang von Rakel Mjöll gibt sich bittersüß, gleitet weich und glockenhell voran, doch bekommt man nie das Gefühl, dass hier jemand die Opferrolle einnimmt. Die Akzeptanz von Vergeblichkeit führt hier zu seelichem Wachstum. "Homesick" dagegen ist auf nüchterne, etwas unterkühlte Art fordernd, giftet sich in der Bridge aber explosionsartig voran. Hier zeigt sich wieder einmal, dass gekonnt verknüpfte Ambivalenz ein gutes Rezept für fesselnde Songs ist. Und auf diesem Weg bleiben Dream Wife wahre Könnerinnen. So werden mitunter textlich harte Themen wie Abtreibung und Fehlgeburt verhandelt, doch führt dies nicht zu einem allzu düsteren Klangbild, aufrührerisch mitunter, das ja, aber oft genug auch weich und anschmiegsam in den Melodien.
Beweise dafür liefern der flüssige, wunderbar slackerhafte Indie-Rocker "Validation"oder "Temporary", welches den Beleg darbietet, dass Melancholie auch in einer sonntäglichen Lichterflut gedeiht. Immer ein bisschen locker, nie zu angestrengt oder forciert, die Songs von Dream Wife auf diesem Album haben immer Luft zum Atmen. "U do u" türmt sich mit sachtem Nachdruck zu einer kleinen, sehnsüchtigen Hymne auf und das Riff von "RH RN" hat sich an einem veritablen Sonnenbad gelabt. Dazu gesellt sich oftmals eine bescheidene Hymnik, die nie zu eindeutig nach vorne geht. Dies lässt sich freilich nicht vom Titelsong behaupten, der giftig um sich tritt, das Biestige zu einem selbstbewussten Statement bündelt. Da brennt es lichterloh, doch auch hier sind Passagen vertreten, die für eine etwas gesetztere Nuancierung sorgen. So ist dann zwar die Absicht in Konzept und Aussage klar, hier wird eingetreten für das Weibliche, das Diverse und Nicht-Binäre in der Musik, doch begnügen sich Dream Wife nicht damit, einen wütenden Sturmlauf zu starten. Sie haben ihr Anliegen stattdessen in ein wunderbar abwechslungsreiches, ausgewogenes Album gepackt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sports!
- Validation
- Temporary
- U do u
Tracklist
- Sports!
- Hasta la vista
- Homesick
- Validation
- Temporary
- U do u
- RH RN
- Old flame
- So when you gonna...
- Hold on me
- After the rain
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Armin
2020-07-05 22:01:25- Newsbeitrag
Live:
03.05.2021 Hamburg - Molotow Club
10.05.2021 Berlin - frannz Club
11.05.2021 München - Ampere
12.05.2021 Nürnberg - Club Stereo
Cade Redman
2020-06-26 17:52:16
Sorry, das gibt es offenbar doch.
Cade Redman
2020-06-26 17:32:06
Das Wort "Akteurin" gibt es nicht.
eMSig70
2020-06-26 16:46:08
"Dazu passt, dass das Trio einen Podcast gestartet hat, der sich mit femininen Akteuren in der Musikindustrie auseinandersetzt."
Was ist eigentlich so schwer daran, einfach "Akteurinnen" zu schreiben.
Randwer
2020-06-25 09:12:18
Interessant. Danke für den Tipp.
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