The Ghost Inside - The Ghost Inside

Epitaph / Indigo
VÖ: 05.06.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mit Engeln im Bunde

Es müssen gute Geister, respektive gleich mehrere Schutzengel mit an Bord des Busses gewesen sein, als The Ghost Inside während ihrer US-Tour im November 2015 einen Horror-Unfall erlebten und überlebten. Andere Menschen, unter anderem der Fahrer, ließen ihr Leben. Die Bandmitglieder selbst erlitten zahlreiche teils schwere Verletzungen. Drummer Andrew Tkaczyk verlor ein Bein, Gitarrist Zach Johnson musste sich seit dem Crash 13 Operationen unterziehen und Sänger Jonathan Vigil brach sich den Rücken sowie zwei Knöchel. "Was macht das mit einem?!" würde Markus Lanz wohl an dieser Stelle fragen, aber mal ehrlich: Keiner mag sich das so wirklich vorstellen.

Umso erfreulicher, dass The Ghost Inside trotz all der körperlichen und seelischen Schäden nach vorn blicken und 2020 zurück sind, um das erdrückende Schicksal im ewigen Freundschafts-Bund und mit fokussierter musikalischer Wucht aufzuarbeiten. So verwundert es nicht, dass der gemeinschaftliche Choral-Shout im wuchtig-schnellen "Still alive" noch lange nachhallt. Die Unfallmeldung, die seinerzeit in den Nachrichten lief, eröffnet das Musikvideo zur großartigen Single "Aftermath", gleichzeitig auch letzter Track der passenderweise selbstbetitelten Platte. "I don’t have it in me to sing of defeat – triumph over tragedy", brüllt Vigil und manifestiert damit die zweite Geburt seiner Band, die nicht nur ebenso aus jedem anderen Songtitel sprießt, sondern auch ein starkes und abwechslungsreiches Album mitbringt.

Double-Bass-Geballer, Riffings und fette Breakdowns, dazu Grunzen und Geschrei statt cleaner Vocals – all das ist gewiss eine prominente Seite von The Ghost Inside, und "Meddl"-Core-Freaks werden zum Wiedersehen mit dem Brecher "Pressure point" begrüßt. Doch selbst für einen Nicht-Experten wie den Rezensenten ist es gut möglich, die Band von den anderen in jenem großen, häufig klischeebeladenen Genre-Köcher abzugrenzen. Denn hinter der brachialen Fassade atmen die Stücke, wird das Gebretter immer wieder von Atmosphäre und frischer Luft durchmischt, die klar aus Post-Hardcore-Gefilden weht. "Overexposure" startet als Hardcore-Brecher, könnte mit seinem Ohrwurm-Refrain aber auch Boysetsfire-Anhänger einfangen, vom eingängigen "One choice" ganz zu schweigen.

"Phoenix rise" ertrinkt im Double-Bass-Sturm auf offenener See fast komplett, rettet sich nach Minute zwei dann auf einmal mit der Nase über Wasser, atmet durch und zehrt nicht zuletzt von einem dieser feinen Melodiebögen, wie sie sich plötzlich auch im kompromisslosen "The outcast" wie ein Schmetterling aus dem Kokon schält. Natürlich sind da die durchaus klischeebehafteten Lyrics, aber wer will der Truppe diese in solch einer Schaffensphase verdenken? Es sind keine einfachen Zeiten, zumal auch die Rassismus-Thematik die Band erfasste: Bassist Jim Riley wurde nach der Veröffentlichung von "The Ghost Inside" wegen inakzeptabler dahingehender Bemerkungen vor die Tür gesetzt. Mit Blick auf dieses Album jedoch überwiegt die Anerkennung und ein Fingerzeig in Richtung der Konkurrenz, dass dieses oft wenig spannende Genre absolut nicht abgegrast und altbacken klingen muss. Natürlich ist nicht alles neu bei The Ghost Inside, aber es fühlt sich ein bisschen danach an.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Still alive
  • The outcast
  • Overexposure
  • Aftermath

Tracklist

  1. 1333
  2. Still alive
  3. The outcast
  4. Pressure point
  5. Overexposure
  6. Make or break
  7. Unseen
  8. One choice
  9. Phoenix rise
  10. Begin again
  11. Aftermath
Gesamtspielzeit: 39:28 min

Im Forum kommentieren

MasterOfDisaster69

2020-08-12 12:55:34

Aber schon stark, was der Drummer hier verrichtet mit nur einem Bein. Hut ab!

https://www.youtube.com/watch?v=4CdFBfKMAU4

Autotomate

2020-06-25 16:29:47

Gerade zum Feierabend mal durchlaufen lassen, und ja doch, klingt recht gut, da kann ich eric nur recht geben. Es dürfte eher an mir liegen, dass ich diese Musik nicht mehr ganz so feiern kann, wie vor 6 Jahren, aber das Album macht schon Lust, das mal wieder zu ändern. Die Songs haben alle so ihre Hooks und lediglich "One Choice" finde ich auf Anhieb doch etwas ZU fettig aufgetragen.

Autotomate

2020-06-24 17:31:02

Wie weit ich die Band aus den Augen verloren habe, merke ich daran, dass mich Plattentests.de auf ihr neues Album aufmerksam macht (und zwar drei Wochen nach seinem Erscheinen ;)... Danke euch, die Rezi klingt ja vielversprechend.

Armin

2020-06-24 12:08:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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