
Khruangbin - Mordechai
Dead Oceans / CargoVÖ: 26.06.2020
Die Welt zu Gast in Houston
Neuerfindung nach einer Ruhepause – dies ist das Konzept von Khruangbin, dieser eh schon schwer zu verortenden Band aus Houston, Texas. Das, was musikalisch auf dem ganzen Erdball passiert, fand freudig Eingang in die Musik dieses Trios, welches sich bisher auf Instrumentales beschränkt hat. Westafrika, der Nahe Osten, Südostasien ... die Verweise auf aus westlicher Sicht Exotisches waren zahlreich und vermengten sich zu einem wunderbar reichhaltigen Klanggebilde. Und dies wurde von einem Publikum auf der ganzen Welt goutiert. Dreieinhalb Jahre tourten Khruangbin um den ganzen Globus, fanden darüber hinaus höchste Anerkennung bei der Musikpresse. Nach diesem Marathon an Live-Auftritten im Zuge des zweiten Albums "Con todo el mundo" stand dann erst einmal Besinnung und Heimkehr auf dem Plan. Bassistin Laura Lee Ochoa nutzte die Zeit, um mit einem nur flüchtig Bekannten eine Hiking-Tour durch die Staaten zu machen, fand dabei zu sich selbst und fing vor allem an, ausgiebig zu schreiben. Passagen aus diesen Tagebüchern halten nun als Texte Einzug in die neue Musik von Khruangbin. Ja, richtig gehört, es gibt nun, relativ ausgiebig sogar, Gesang auf dem dritten Album der Texaner, welches "Mordechai" betitelt wurde. Dies ist der Name ebenjenes Freundes, der Ochoa zu dieser bedeutenden Tour eingeladen hat, die soviel Veränderung im Sound der Band zeitigt.
Auch wenn es wieder vieles zu entdecken gibt, welches vom anglo-amerikanisch zentrierten Musikschema abweicht, lässt sich auf "Mordechai" dieses mal doch eine Grundlage ausmachen. Denn durch die Rückbesinnung auf die Heimat Houston rücken Funk und Soul in den rhythmischen Fokus. "First class" groovt unheimlich lässig mit einem Wink ins Verschlafene, das satte aber wendige Bassspiel Ochoas sorgt jedoch dafür, dass man nicht ganz wegdriftet. Der Gesang dazu ist meditativ und wohlig einlullend. "Time (You and I)" ist da schon eine Spur aufgeweckter, das zackige Gitarrenspiel und die hibbelige Rhythmik geben ein verführerisches Dancefloor-Versprechen. Dazu wieder ein Gesang, der sich zwischen mildem Dahingleiten und funkiger Agitation wunderbar selbstbewusst positioniert.
"Connaissais de face" verknüpft dann die Melodik des Nahen Ostens mit dem leicht anrüchigen Odem der französischen Nouvelle Vague. Hier findet man also wieder jene Verknüpfungen unterschiedlicher Elemente, die den Sound Khruangbins so abwechslungsreich und vielschichtig gestalten. Eine weitere Stärke dieser Band ist es, starke melodische Motive gebührend ins Rampenlicht zu stellen. Die Gitarrenpassage in "Father bird, mother bird" ist für sich allein gesehen so zwingend, so sehnsüchtig anheimelnd, dass es für diesen Song nichts weiter braucht. Auch "If there is no question" verlässt sich zu einem guten Teil auf die narrative Tragkraft der Gitarre, doch hier gesellt sich noch ein Gesang hinzu, der einerseits in die Lüfte entfliehen will, an anderer Stelle jedoch mit melancholischem Nachdruck berührt.
Dass in den Songtexten oftmals das flüchtige Wesen von Erinnerung und generell Zeit thematisiert wird, passt wunderbar zu deren luftiger, weicher Darbietung, die sich oftmals zu verflüchtigen scheint. Etwas akzentuierter gibt sich der Gesang in der lateinamerikanischen Tanzpartie "Pelota". Doch bereits "One to remember" ist wieder in träger Weichzeichnung dem Dub verwandt, einige Gitarrenlicks und die Gesangstimme mit ihrer verwaschenen Körperlosigkeit sorgen für Entspannung und eine physische Zufriedenheit. Es ist übrigens ein Fest, wie Gitarre, Bass und Schlagzeug in ihrem Spiel ineinandergreifen, wunderbar zu beobachten im bluesigen "Dearest Alfred", welches die weichen, hellen Vocal-Parts mit einer sinisteren Instrumentierung paart. Und auch der urbane Groove von "So we won't forget" erwächst erst zu voller Geltung, wenn sich ihm das sonnige Gitarrenspiel hinzu gesellt. "Mordechai" ist somit wieder ein wahnsinnig variables Album, welches aber über seine Rhythmik auf festen Beinen steht. Ausgehend von der vornehmlich schwarzen Musik ihrer Heimatstadt, wagen Khruangbin wieder einmal einen inspirierten Blick hinaus in die Welt, Globalisierung mit positiver Konnotation.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Time (You and I)
- Father bird, mother bird
- One to remember
- So we won't forget
Tracklist
- First class
- Time (You and I)
- Connaissais de face
- Father bird, mother bird
- If there is no question
- Pelota
- One to remember
- Dearest Alfred
- So we won't forget
- Shida
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VelvetCell
2021-02-17 11:13:21
Ich mag die Band mittlerweile sehr. Nicht nur ihre Musik, sondern auch die Menschen dahinter: Grundsympathisch! Und Laura Lee mag ich gerne beim Musizieren zuschauen...
Und dann sind da die tollen "Mixtapes", die die bei Spotify und auf YouTube raushauen. Sehr geschmackvolle Playlists nach dem Motto "Under the Influence". Diese hier zum Beispiel:
KHRUANGBIN VIBES VOL. 1
hos
2020-07-17 21:16:37
hab vor jahren mal ein special von denen auf KEXP gesehen und war erstmal positiv gestimmt. das debut ging auch erstmal gut rein, aber leider auch genausoschnell wieder raus. das klingt hübsch, ein wenig verspielt, ein bisschen latin flair, ein bisschen funky, ödet aber leider auch dahin wie trocken brot.
gitarrist ist halt kein carlos santana, sondern nur ne halbtalentierte, auf image getrimmte modenschau.
musie
2020-07-16 10:35:22
Das extrem leise Mastering ist mir auch aufgefallen. Hört man bloss das Album, dann geht's, aber in Playlists ärgerlich...
sizeofanocean
2020-07-16 09:29:59
wieder so ein Album, das um Längen leiser gemastert wurde als die meisten anderen aktuellen Platten, werd ich nie verstehen...
Deaf
2020-07-08 23:02:14
In Deutschland auf der 8 eingestiegen, eigentlich krass für solche Nischenmusik. Das Album wird mich sicher durch den Sommmer begleiten, der Vorgänger gefiel mir aber trotzdem noch um einiges besser.
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Referenzen
Spotify
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