Carly Rae Jepsen - Dedicated side b

Schoolboy / Interscope / Universal
VÖ: 21.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Herzen so offen wie Autodächer

Woher kommt die Faszination hinter Carly Rae Jepsen? Warum erhält eine Pop-Künstlerin ohne radikalen oder idiosynkratischen Anspruch so viel Anerkennung von der Kritik und Indie-Community? Warum fühlt sich ein käsiger Song wie "Run away with me" wie das perfekte Destillat von Euphorie, wie die glücklichmachendsten vier Minuten der Musikgeschichte an? Vielleicht ist die Aufrichtigkeit der Schlüssel. In Jepsens Vision von Pop gibt es keine Ironie oder doppelten Böden, nur die schamlose Vermittlung noch so banal scheinender Emotionen. Vielleicht schlummern in dieser Direktheit tiefe menschliche Wahrheiten: von der Liebe, der Dynamik von Beziehungen, dem Hin-und-hergerissen-Sein zwischen Selbsterfüllung und der Hinwendung zum Anderen. Vielleicht schreibt die Frau auch einfach nur verdammte Banger, keine Ahnung. Fakt ist, dass die Kanadierin ob ihrer Produktivität wohl noch eine Weile im Diskurs bleiben wird. 200 Songs entstanden im Vorfeld von "Dedicated" – dessen "Side b" zeigt nun einen Ausschnitt der Ausschussware. Dass die zwölf Tracks die Qualitätskontrolle nicht überstanden, verwundert, ist diese Sammlung insgesamt sogar besser als ihr Schwesteralbum. Idealer können B-Seiten gar nicht beschaffen sein: ausproduziert und abgerundet, aber mit einer Experimentierfreudigkeit ausgestattet, die das A-Material aus welchen Gründen auch immer nicht leisten konnte.

Das eröffnende "This love isn't crazy" bleibt zunächst noch bei Jepsens Zauberformel unverfroren glitzernden Achtziger-Pops. Stimm- und Synth-Spuren berauschen sich, bis der Refrain mit einer Intensität explodiert, als würde er alle in der Quarantäne aufgestauten Liebessehnsüchte gleichzeitig herauslassen. Es ist kein zweites "Run away with me", aber auch nicht allzu viele Cabrio-Meilen davon entfernt. "Window" macht es eleganter. Wünschte sich das "Dedicated"-Highlight "Want you in my room" noch, dass der Lover sich durchs Fenster quetscht, ergreift die 34-Jährige hier selbst die Initiative. Im Gepäck hat sie einen funkigen Bass und andere Siebziger-Disco-Einflüsse, die "This is what they say" weiter ausformuliert. Wie schon auf der A-Platte spielt die sexuelle Lust eine größere Rolle in Jepsens Songwriting, besonders im Doppel von "Felt this way" und "Stay away". Es sind zwei Variationen desselben Stücks, das mit unterschiedlichen Tempi und Vortragsweisen einen anderen emotionalen Ausdruck bekommt. Das zentrale Motto "My home is your body" klingt erst frustriert, dann selbstsicher, als gebe es keinerlei Zweifel mehr am romantischen Erfolg. Das kurze, verschroben pulsierende "Fake Mona Lisa" schenkt dem ganzen Sex-Talk ein Augenzwinkern, wenn es Da Vincis Porträt als Bettkonkurrentin inszeniert.

Was "Dedicated side b" jedoch besonders auszeichnet, sind seine oben angeteaserten stilistischen Spielereien. Das hochenergetische "Let's sort the whole thing out" wurmt sich nicht nur hartnäckig ins Ohr, sondern hätte mit seinem Vibe zwischen Jangle-Pop und sonnigem New Wave auch auf ein Best-Coast-Album gepasst. "Summer love" gönnt seinen Disco-Streichern ein Solo, während der Closer "Now I don't hate California after all" mit Marimba und synthetischem Blubbern eine spannend instrumentierte Strandballade darstellt. Selbst im leicht kitschigen Engtanz von "Heartbeat" flirren atmosphärische Geräusche an allen Ecken und Rändern. Losgelöst von den Erwartungen, die sie im Rahmen eines regulären Studioalbums womöglich erfüllen müsste, scheint sich Jepsen ausnehmend wohl in ihrer Haut zu fühlen. Deshalb kauft man ihr die Selbstliebe-Hymne "Solo" voll ab, deshalb schlägt auch "Comeback" ein – ein zurückgenommenes Duett mit Produzent Jack Antonoff, das Identitätszweifel zunächst artikuliert, um sie dann auszumerzen: "I'm at war with myself / […] / But I'm thinking of making a comeback / Back to me." Um die Throne der Pop-Zukunft sollen doch die anderen streiten, Jepsen singt bloß ein paar einfache, offene, empathische Lieder über Dich und mich. Und macht das auch auf ihren B-Seiten so gut wie kaum eine zweite.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • This love isn't crazy
  • Summer love
  • Let's sort the whole thing out
  • Now I don't hate California after all

Tracklist

  1. This love isn't crazy
  2. Window
  3. Felt this way
  4. Stay away
  5. This is what they say
  6. Heartbeat
  7. Summer love
  8. Fake Mona Lisa
  9. Let's sort the whole thing out
  10. Comeback (feat. Bleachers)
  11. Solo
  12. Now I don't hate California after all
Gesamtspielzeit: 43:27 min

Im Forum kommentieren

Armin

2020-06-10 20:25:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

maxlivno

2020-05-29 00:15:10

Ich finde die Side B mindestens genauso gut wie A. Vielleicht sogar etwas besser

Loam Galligulla

2020-05-28 19:52:11

Meinungen zur Dedicated Side B Veröffentlichung? So Infektiös, macht so glücklich :-)

Armin

2020-02-07 20:12:01- Newsbeitrag


Carly Rae Jepsen ist zurück! Nachdem der Popstar im vergangenen Jahr ihr vierte Studioalbum „Dedicated“ veröffentlicht hat, gibt es jetzt mit „Let’s Be Friends“ einen brandneuen Song der Pop-Sängerin. Eine Woche vor Valentinstag dreht sich Carlys neuer Track nicht etwa um die große Liebe, sondern um das Ende einer Beziehung mit der typischen Ansage: „Lass uns Freunde bleiben!“. Die Grammy-nominierte Sängerin verarbeitet das Thema Trennung in ihren Lyrics aber natürlich mit einem Augenzwinkern:



“Let’s be friends, then never speak again, It’s cool we can just pretend we’re friends and never speak again”



Passend zum Song gibt es auch ein liebevoll animiertes Lyric-Video, das den Text von „Let's Be Friends“ mit viel Humor visualisiert.

Schaut euch das neue Video von Carly Rae Jepsen hier an:





Carly Rae Jepsen - Let's Be Friends (Official Lyric Video)



Die britische GQ bezeichnete Carlys letztes Album „Dedicated“ als „ein Album voller herrlicher Pop-Hits“, während Jepsen in einem Interview mit der Vogue sagte: „Ich wollte, dass das Album ein bisschen so ist, wie ich Musik höre; auf Tanz-Partys im Wohnzimmer mit meinen Freunden“. In ihrer Heimat Kanada, und auch in US landete es in den Top 20 der Album-Charts.



In diesem Monat wird die Multi-Platinum-Künstlerin mit ihrer The Dedicated Tour für vier Termine auch hier nach Deutschland kommen:



Samstag, 15. Februar | Köln, Essigfabrik

Sonntag, 16. Februar | Hamburg, Grünspan

Dienstag, 18. Februar | München, Technikum

Mittwoch, 19. Februar | Berlin, Columbia Theater


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