Angora Club - Hasenangst

Kidnap / Cargo
VÖ: 15.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Tut es doch weh

Angora-Clubs gibt es wirklich. Kein Scheiß, da finden sich Leute zusammen und wettscheren um die Wolle ihrer vermutlich angemessen befremdeten Kaninchen. Arme Viecher. Allein der Gedanke an solche Veranstaltungen ist rezeptpflichtig, weil ohne Antidepressiva kaum zu ertragen. Ob der nachnamenlose Knott, Gitarrist und Texter beim besseren – allein schon, weil krachigeren – Angora Club, solche nimmt, ist dabei nicht überliefert. Wohl aber, dass er auf dem Debüt "Hasenangst" nach eigener Aussage seine Depression verarbeitet. Das wiederum glaubt man, nachdem man innerhalb der ersten fünf Minuten schon an den Schlagworten Suizid und Borderline vorbeigekommen ist und beim Blick auf Zeilen wie "Auch hier im Dunkel / Wo Deine Teufel tanzen / Siehst Du die Schatten an der Wand" ohne weitere Vorbehalte. "Leben / Und jeden Tag ein bisschen sterben?" – harter Tobak, nicht nur für Hasen.

Doch der Reihe nach. Angora Club, das sind vier Flensburger, die seit 2018 deutschsprachigen Punkrock, wie er einfach nur da oben im Norden entstehen kann, in die Welt tragen und das so gut machen, dass sie sich mittlerweile zwischen klangvollen Namen wie Zwei Tage: Ohne Schnupftabak, Akne Kid Joe und Pascow bei Kidnap Music einsortieren können. Schroffe Powerchords, fröstelnde Melodien. Und das Punkrockherz schlägt freudig schneller, trotz oder gerade wegen der immer wieder hart gen Magengrube prügelnden Thematik und obendrein hinlänglich bekannter Zutaten. Und es hat Recht damit. Mit allem. Eine druckvolle Produktion, die so in etwa auch bei Kmpfsprt hätte stattfinden können, ein wirklich wunderschönes Cover und vor allem zwölf Songs in gut 30 Minuten, die mitsamt ihrer allerorts durchschimmernden Turbostaatigkeit immer wieder für Überraschungen sorgen. Das fängt schon an der Oberfläche an, bei räudigen Songtiteln wie "Nasser Hund" und Zeilen wie "Der Fuchs ist eine schlaue Sau".

Und das geht natürlich in der musikalischen Umsetzung weiter. Aus "Hasenangst" tropft – obwohl die Band sich wohltuend straight durch das Dutzend Lieder zockt und das Midtempo komplett links liegen lässt – Song für Song eine Melancholie, in der man sich verlieren, in die man sich verlieben möchte. Der nachnamenlose Olli singschreit sich mit einer Inbrunst, die jeglichen Schmerz fast greifbar werden lässt, durch die Bilder des Elends. Überall bleibt man unwillkürlich hängen oder gleich freiwillig stehen, um das Ganze genauer zu betrachten. Den perfekt ins Album leitenden Opener "Johannes a.D." zum Beispiel. Den mit Sehnsucht um sich werfenden, sofort den Weg ins Ohr suchenden Refrain von "Leguan". Oder die unwiderstehliche Ausgestaltung der Strophen des ohne weitere Fragen nach vorne rumpelnden "Untergang", das sich trotz hohem Niveau allenthalben als Highlight behaupten kann. Man könnte noch einen ganzen Absatz in diesem Stil füllen. Oder es kurz machen: Die größte Leistung von "Hasenangst" ist es nämlich, dass die Platte keine Höhepunkte benennen muss. Wort, Bild und Ton, Angora Club bringen alles zusammen und erschaffen ein Album, das als Gesamtwerk von Trauer und Tristesse verstanden werden will und muss. So schmerzhaft das auch ist.

(Martin Smeets)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Johannes a.D.
  • Leguan
  • Untergang
  • Schatten

Tracklist

  1. Johannes a.D.
  2. Nasser Hund
  3. Peter Pan
  4. Toter Winkel
  5. Hobbyraum
  6. Leguan
  7. Blei
  8. Untergang
  9. Minusmann
  10. Erika.Alt.Ent.
  11. Schatten
  12. Utopia
Gesamtspielzeit: 31:07 min

Im Forum kommentieren

Armin

2020-05-20 22:29:38- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum