Nick Hakim - Will this make me good

ATO / Rough Trade
VÖ: 22.05.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

An der Sache vorbei

"Will this make me good?" Diese Frage stellte sich Nick Hakim aus Brooklyn das erste Mal, als er im Teenager-Alter Tabletten gegen seine Konzentrationsschwäche verschrieben bekam. Würde er nun endlich den Ansprüchen seiner Umwelt genügen, würde er jetzt funktionieren? Es hat Jahre gebraucht, bis der Amerikaner zu dem Schluss kam, dass jener Malus, jene Schwäche zu seiner Persönlichkeit gehört und dass sie das Recht hat, sich in seiner Musik zu zeigen. Und so ist sein zweites Album, betitelt mit jener Eingangsfrage, auch leicht chaotisch, fahrig und enervierend. Es ist sogar so, dass klare Höhepunkte, wie man sie auf dem Vorgänger "Green twins" trotz allem Eklektizismus häufig fand, oftmals ausgespart bleiben. Stattdessen wird in repetitiven Schleifen häufig eine nervöse Spannung aufgebaut, die mitunter schwer auszuhalten ist, jedoch auch Verunsicherung und Unwägbarkeit in existentieller Form bietet.

Und so ist "Will this make me good" expansiv und fährt oftmals an einer ökonomischen Dramaturgie vorbei. Bestes Beispiel ist das Kernstück "Qadir", welches über sieben Minuten in trügerischer Ruhe tropisch dahin tröpfelt. Ja, dieser Song kommt zu einiger Pop-Grandessa, dafür sorgt allein der zehnköpfige Chor. Doch das Prägende ist hier eher das Tändeln und Schwelgen in der Strophe, welchem viel Raum gelassen wird. Hakim sinniert, ohne auf kurzfristige Highlights zu insistieren, dem Verlust eines engen Freundes nach. "Oh, we have fallen / As a whole / And were sinking / Down a hole" – und dieses allmähliche Absinken ins Nichts, dieser Kontrollverlust über lebendige Handlungsformen sickert in den Song wie ein langsames Gift ein.

Vieles wirkt auf diesem Album schadhaft und lädiert. So braucht der sinistre Beat vom Quasi-Titelsong "WTMMG" einige Umdrehungen, bis er Fuß fasst, bleibt jedoch immer bedroht in seiner Standfestigkeit. Und in dieser ungefestigten Stabilität passt es besonders gut, wenn Hakim noch mal kritisch auf seine Tabletten-Episode Bezug nimmt: "Lab rats in cages / They're feeding us their fear." Es ist häufig so, dass auf diesem Album ein mühsam errichtetes Gleichgewicht latent bedroht erscheint, bluesige Gitarren-Melodie leiern verstimmt ins Leere oder wiederholen sich enervierend lang, ohne auf eine Konklusion zuzusteuern. Oder es ist wie in "Bouncing", in dem eigentlich kräftige Drums in Zeitlupe eine ausgehölte Emotionalität vermitteln. Man hat des Öfteren den Eindruck, dass die kompositorischen Methoden am eigentlichen Punkt vorbeisteuern, aber dieses Ungerichtete, dieses Labile macht "Will this make me good" eben zu etwas Besonderem.

Denn die großen Melodien, die strahlenden Momente werden angedeutet, im Ansatz auch ausgeführt, nur weigert sich Hakim, diese zur vollen Strahlkraft auszuarbeiten. Auf halber Strecke verheddert er sich lieber in einem beiläufigen Schnörkel und wiederholt ihn enervierend in leichten Variationen. Dies verlangt vom Hörer natürlich eine gewisse Konzentration, doch lohnen sich diese Ausflüge in die Nebenschauplätze ungemein, da sich hier ungeschönte Lebendigkeit finden lässt. So besitzt zum Besipiel "Seeing double" durchaus anschmiegsame Melodien und ein weichherziges Drumming, nur läuft dies alles in eine jenseitige Leere. Aber eben dadurch, dass Hakim selten auf den konkreten Punkt kommt, dass er sich kompositorisch scheinbar nicht konzentriert, bleibt dieses Album auf künstlerisch reizvolle Art vage und lässt sich nicht mal eben nebenbei entschlüsseln. Gut, dass er inzwischen auf die Tabletten verzichtet.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • WTMMG
  • Bouncing
  • Qadir
  • Seeing double

Tracklist

  1. All these changes
  2. WTMMG
  3. Bouncing
  4. Let it out
  5. Qadir
  6. All these instruments
  7. Drum thing
  8. Vincent Tyler
  9. Crumpy
  10. Gods dirty work
  11. Seeing double
  12. Whoo
Gesamtspielzeit: 52:57 min

Im Forum kommentieren

Hencoover

2020-05-15 11:51:19

ich habe

maxlivno

2020-05-14 17:58:07

Die Vorabsongs waren gut, aber nicht auf dem Niveau des Vorgängers. Jetzt heißt es wohl warten auf das Releasedatum

Armin

2020-05-13 20:39:22- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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