Blumfeld - Jenseits von jedem
WEA / WarnerVÖ: 01.09.2003
Hier und jetzt
Er bleibt der ewig Unverstandene. Der Oberlehrer. Der Papa. Der Schlagerfuzzi. Der Gefühlsduseler. Wer weiß? Vielleicht ist Jochen Distelmeyer ja wirklich all das. Oder nichts. Seine Lieblings-Latzhose, ohne die er sich in letzter Zeit auf kaum einer Bühne blicken ließ, blieb für "Jenseits von jedem" im Schrank. Der gänzlich unmoderne Seitenscheitel wirkt geschniegelter denn je. Auf dem Backcover sitzt er auf einer karierten Decke im Park. Umringt von seinen Bandmitgliedern, Freunden, selbstgebackenem Kuchen, hartgesottenen Eiern, leuchtend roten Erdbeeren, einer viertel Wassermelone und einem Schachbrett. Nur er schaut in die Kamera. Er grinst. Natürlich ist das lustig. Unfreiwillig. Oder auch freiwillig. Vielleicht ist er das alles. Vielleicht macht es ihm Spaß, jemand zu sein, der er nicht ist. Zweifel bleiben.
Was auch immer es sein mag: Er will nur unser Bestes. "Gib nicht auf - es kommt ein neuer Morgen / Laß es raus - den Schmerz und Deine Sorgen / Mach Dich frei - von allen falschen Zwängen / Nimm Dir Zeit - und lern das Leben kennen." Nur einer von unzähligen Ratschlägen fürs Poesiealbum. Für den guten Vorsatz. Für ein besseres Dasein. Sätze, die keiner hören will und doch jeder kennen sollte. Jochen Distelmeyer denkt jenseits von jedem. Und in uns allen.
Nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Unmittelbarkeit. "Coveridee: Jochen Distelmeyer" steht da geschrieben. Auf so eine Idee muß man erst einmal kommen. Keine Idee ist auch eine. Es braucht kein Herz. Nur Augen und Seele, in direkter Verbindung mit der Gitarre und dem Textbuch. Nie waren Blumfeld so dreist. Nie so aufrichtig. Geradewegs. Und vielleicht gerade deswegen für uns komplizierte Menschen zu kompliziert. Gib nicht auf! Laß es raus! Mach Dich frei! Nimm Dir Zeit! Für den Titelsong scheint sich Distelmeyer über den Wolken auf einem Hockerchen niedergelassen zu haben. Die Gitarre geschultert, den Blick nach unten gerichtet. Auf die Menschen. Er sieht. Er spielt. Und singt. Vierzehn Minuten und siebenundzwanzig Sekunden lang.
Normal ist das nicht. Oder vielleicht gerade doch. Blumfeld sind notwendiger denn je. Jetzt, da Blumfeld von Bassist Peter Thiessen endgültig zugunsten der überkopften Kante verlassen worden sind. In einer Zeit, in der jeder versucht, so abgehoben, absonderlich und individuell wie möglich zu sein Die Jugend von heute will "Die Jugend von heute" sicherlich nicht hören. Aber sie weiß, daß es wahr ist. Eine Tracklist als Realität. Die Welt ist schön, alles macht weiter, in der Wirklichkeit. Armer Irrer. "Komm sag es allen, wir sind frei / Es gibt kein Müssen und kein Sollen." Wir brauchen sie, die uns den Spiegel vorhalten. Uns sagen, was ist und nicht, was sein könnte. Das Leben ist schön, das Leben wird schneller. Kürzlich war es noch "Der Wind", der Blumfeld umwehte, jetzt ist es "Der Sturm". Was folgen mag, ist ein Orkan. Wir versuchen zu verstehen und uns treiben zu lassen. Die Gedanken sind frei, jeder kann sie verraten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Neuer Morgen
- Wir sind frei
Tracklist
- Sonntag
- Armer Irrer
- Krankheit als Weg
- In der Wirklichkeit
- Alles macht weiter
- Neuer Morgen
- Der Sturm
- Jenseits von Jedem
- Jugend von heute
- Wir sind frei
- Die Welt ist schön
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The MACHINA of God
2020-05-25 00:06:39
Das dachte ich mir...
Xavier
2020-05-24 23:47:02
Ich denke, wir müssen es dabei belassen.
The MACHINA of God
2020-05-24 23:41:53
@Xavier:
Dann solltest du erstmal die Texte von "Ich-Maschine" und "L'etat et moi" lesen.
Xavier
2020-05-24 23:40:21
Liest sich wie aus einem Programmbuch mit RAF-Texten.
Felix Klaus
2020-05-24 23:18:52
In "Wir sind frei" singt Distelmeyer
"Und manche sagen, der Typ gehört in Therapie, kann sein doch um mich weht ein Hauch von Anarchie"
Blumfeld eignen sich eh aufs Beste zur Selbstvergewisserung, jeder Satz ein Manifest irgendwie
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