Laura Marling - Song for our daughter

Chrysalis / Partisan
VÖ: 10.04.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Mother of the world

Nanu? Ist Laura Marling etwa Mutter geworden? Der Titel ihres siebten Studioalbums legt die Vermutung nahe, doch die Rezipientin von "Song for our daughter" ist eine metaphorische. Obwohl selbst erst 30 Jahre jung kann Marling so manche Lieder von einer guten Dekade im Musikgeschäft singen. Mit Verständnis und Erfahrung möchte sie ihrer imaginären Tochter beim Aufwachsen in einer immer noch männerdominierten Gesellschaft beistehen – und weil wir im Moment alle alters- und geschlechtsunabhängig ein bisschen Empathie gebrauchen können, zog sie den für August angedachten Release ihrer Platte um ein paar Monate vor. Das bedeutet freilich nicht, dass eine der besten und renommiertesten Folkmusikerinnen ihrer Generation plötzlich Zugeständnisse ans größte gemeinsame Publikum macht, im Gegenteil. "I have not a fuck to give", heißt es nicht umsonst bereits im Opener.

Dennoch gestaltet sich der Start ins Album noch ungemein warm und herzlich. "Alexandra" schreibt Leonard Cohens "Alexandra's leaving" weiter, fragt nach dem Wohlergehen seiner Titelheldin in einem sonnigen, offenen Folk-Stück. Marling kittet die abgründigen Risse, die vor allem ihr früheres Schaffen bis "Once I was an eagle" durchzogen, lehnt sich im leicht psychedelischen "Held down" zurück und singt im Chor mit sich selbst – kann allerdings nicht ganz verstecken, dass sich unter der oberflächlichen Entspannung eine resignierte Herzschmerz-Story verbirgt. In "Strange girl" bricht sich das Albumkonzept zum ersten Mal Bahn: "You're working hard and getting on and still not getting paid / Stay low, keep brave." Wie in einer sozialbewussteren Version von Kate Nashs "Mariella" erfährt das wütende, einsame Mädchen die Liebe der Erzählerin nicht trotz, sondern wegen seines Außenseitertums. Dazu hat die Britin neben hellen Engelstönen noch immer den staubtrockenen Sprechgesang zwischen Lou Reed und Bob Dylan drauf, der hier wunderbar zum schwarzhumorigen Track samt Shuffle-Rhythmus passt.

Doch mit der Leichtigkeit hat es sich nach drei Songs erledigt, der Rest von "Song for our daughter" besteht im Grunde nur aus schwermütigen Balladen. Subtil, aber nicht karg arrangiert füllt Marling die Leerräume zwischen sich und ihrer Gitarre mit Streichern und himmlischen Background-Vocals. Die Texte fokussieren sich auf die vor allem psychologischen Beschwernisse, die "Only the strong" schon im Titel suggeriert. In "Blow by blow" ersetzt Marling ihr Lieblingsinstrument durch ein Piano und gesteht in einem Testament der Kraftlosigkeit ein, dass sie selbst der Rolle der unsicheren Tochter noch nicht entwachsen ist: "I don't know what else to say, I think I did my best / Momma's on the phone already talking to the press." Es ist einer ihrer schönsten, zerbrechlichsten Songs überhaupt. Komplettiert wird das Herz des Albums vom Titelstück, welches wieder die sorgenvolle Mutterrolle einnimmt: "With your clothes on the floor / Taking advice from some old balding bore / You'll ask yourself, 'Did I want this at all?'"

In weniger versierten Händen könnte es ob all der Reduktion schnell dröge werden, doch die Qualität von Musik und Worten bleibt meisterhaft hoch. Trotz ihres Minimalismus weisen alle Tracks einen eigenen Charakter auf, getragen von kleinen, aber markanten Wiedererkennungsmerkmalen: das fließende Fingerpicking von "Fortune", das nachhallende "I love you, goodbye" in "The end of the affair", die heulende Pedal-Steel von "Hope we meet again". Marling versteht es wie kaum eine zweite, britische Folk-Traditionen mit dem Songwriting amerikanischer Granden wie Joni Mitchell zu verbinden und damit ihr ganz eigenes Profil zu schärfen. Eine ihrer besten Melodien versteckt sie im finalen Doo-Wop-Singsang von "For you", das fast einem Schlaflied gleichkommt. Einen stimmigeren, trostvolleren Abschluss hätte "Song for our daughter" nicht finden können. Mit dem Wissen, dass eine Frau wie Laura Marling über ihre Töchter wacht, kann die Welt beruhigt einschlummern.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Alexandra
  • Strange girl
  • Blow by blow
  • For you

Tracklist

  1. Alexandra
  2. Held down
  3. Strange girl
  4. Only the strong
  5. Blow by blow
  6. Song for our daughter
  7. Fortune
  8. The end of the affair
  9. Hope we meet again
  10. For you
Gesamtspielzeit: 36:42 min

Im Forum kommentieren

Kojiro

2020-04-20 19:33:41

Beginnt unglaublich stark. Wird dann allerdings sehr schnell sehr eintönig. Schade.

saihttam

2020-04-19 02:40:19

Also ich finde es bisher sehr schön, auch wenn ich zustimmen muss, dass es nach hinten raus etwas gleichförmig wird. Der Anfang ist dafür aber absolut fabelhaft.

Alice

2020-04-16 22:45:49

Laura mit 3 Songs des neuen Albums zu Gast bei NPR Tiny Desk (Home) Concert:

https://youtu.be/7RzBrwRLX2E

Inzwischen bin ich auch sehr angetan von "Song for our daughter", den sie hier als letztes spielt.

Zappyesque

2020-04-16 02:50:15

Obwohl nur 36 Minuten wirkt das Album auf mich lange. Hintenrum schwächelt es an beliebigen Melodien, Wiederverwertung alter Themen und an fehlendem Zug nach Vorne. Der Vorgänger war deutlich stärker. Seltsam die Entscheidung, diese Titel in diese Reihenfolge zu bringen. Soundtechnisch und in den Arrangements hervorragend und ein starker Anfang des Albums.

Grizzly Adams

2020-04-15 23:26:55

„She had me from hello“... ich mag Laura Marling schon seit geraumer Zeit. Die hat eine Stimme, die zur Aufmerksamkeit zwingt. Das Album wird bei mir sehr lange im Fokus und in Rotation bleiben. Weil done Laura! Das ist die Musik, die mich zuhören lässt.

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