
Close Lobsters - Post neo anti – Arte Povera in the forest of symbols
ShelflifeVÖ: 28.02.2020
Löcher im Zaun
Fragen, auf die man nicht mit ja antworten sollte: "Haben Sie mal eben 31 Jahre Zeit?" Wer so lange wartet, läuft Gefahr, irgendwann auszusehen wie der Kollege auf dem Cover des ersten Close-Lobsters-Longplayers seit – richtig – 31 Jahren. Der sich eher nach einer Art überdimensioniertem musealem Albtraum liest als nach dem Comeback einer der Bands, denen man dank des legendären NME-Kassettensamplers "C86" eine große Zukunft in Jangle-Pop und britischer Indie-Gitarre prophezeite. Primal Scream oder The Wedding Present sollte diese in der Tat bevorstehen – für Close Lobsters war 1989 nach den Alben "Foxheads stalk this land" und "Headache rhetoric" jedoch schon wieder Schluss. "Post neo anti – Arte Povera in the forest of symbols" erscheint auf einem kleinen amerikanischen Liebhaber-Label also einigermaßen überraschend.
Auch weil das frühe Gesamtwerk der Schotten längst auf den Compilations "Forever, until victory!" und "Firestation towers 1986 - 1989" endgelagert ist und ihre letzten Lebenszeichen in Form der EPs "Kunstwerk in spacetime" und "Desires & signs" bereits vier respektive sechs Jahre zurückliegen. Ignorieren wir also geflissentlich, dass die letzten vier Stücke von "Post neo anti – Arte Povera in the forest of symbols" aus ebendiesen zwei EPs stammen und zwei weitere Songs schon 2012 auf der Single "Steel love" erschienen. Im Grunde ist es auf diesem Album ohnehin nur von marginaler Bedeutung, ob wir gerade 2020, 2014 oder doch 1989 haben: Close Lobsters retten ihren Sound so originalgetreu und sympathisch aus der Zeit gefallen aus Indie-Anfangstagen ins Jetzt hinüber, dass damals tatsächlich Löcher im Zaun gewesen sein müssen.
Da erblühen im Opener "All compasses go wild" die Gitarren wie ein bunter Frühlingsstrauß, und der altgediente Produzent John A. Rivers gibt sich von Neuem die Ehre und schleppt das verhallende Schlagzeug von "New York City in space" vermutlich höchstselbst in die Waschküche. Dort wartet Andrew Burnett mit raumgreifenden Vocals, die eine wunderbar nebulöse Koexistenz mit den melodieseligen Riffs von Songs wie dem himmelsstürmerischen "Bird free" oder "The absent guest (No thing, no there)" eingehen. Dazu künden die Zeilen "It's getting better all the time" und "The days run away" von dem, was The House Of Love oder Shed Seven ab Anfang der Neunziger auch unter dem Einfluss des Glasgower Quintetts in die britische Pop-Landschaft pflanzen sollten – und davon, dass Psychedelia auch ohne Drogen und Vom-Balkon-Springen funktioniert.
Vor allem in der zweiten Hälfte dieses Albums, wo mit Rave-Rock und Shoegaze-Echos zusehends Bewusstseinserweiterndes ins Spiel kommt und Burnett beim perlenden "Now time" wissend "History is about to made" raunt. Wenig später vermählen sich im dunstigen Sechsminüter "Under London skies" The Stone Roses und Inspiral Carpets in schönster beduselter Manier, bis die Zeit endgültig stillzustehen scheint – Schellenkranz und hektisch verbreaktes Getrommel inklusive. Ob es sich bei "Post neo anti – Arte Povera in the forest of symbols" nun um ein richtiggehendes neues Studioalbum handelt, interessiert zu diesem Zeitpunkt schon niemanden mehr – ebenso wenig wie die Frage nach dem kunstscheißigen Titel und dem immer noch merkwürdigen Bandnamen. Denn was mögen das für Existenzen sein, die immerfort Hummer verspeisen?
Highlights & Tracklist
Highlights
- All compasses go wild
- Bird free
- Now time
- Under London skies
Tracklist
- All compasses go wild
- The absent guest (No thing, no there)
- Johnnie
- Bird free
- Godless
- Let the days drift away
- Now time
- New York City in space
- Under London skies
- Wander pt. II
Referenzen
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