Pure Reason Revolution - Eupnea

InsideOut / Sony
VÖ: 03.04.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ausgetanzt

Was hätte aus Ihnen werden können? Über drei Alben, von 2006 bis 2010, waren Pure Reason Revolution so etwas wie der heißeste Scheiß im Progressive Rock. Der Moment passte für die Band aus dem englischen Reading wie die Faust aufs Auge, denn ihr Landsmann Steven Wilson, auch damals schon der unangefochtene Top-Star der Szene, lebte gerade mit Porcupine Tree seine metallische Seite aus. In diese Lücke stießen die Vordenker Jon Courtney und Chloe Alper mit ihrer überaus britischen Interpretation des Prog – zuerst elegisch wie Pink Floyd mit dem wunderschönen Debüt "The dark third", dann aber zeigten sie Fans und Kritikern mit dem brutal tanzbaren, geradezu technoiden "Amor vincit omnia" den Mittelfinger, bevor sie 2010 mit "Hammer and anvil" wieder versöhnlicher unterwegs waren. Drei Alben mit dem Potenzial für die Ewigkeit sozusagen – nur, dass danach plötzlich Schluss war.

Doch ebenso plötzlich, wie die Briten 2011 verschwunden waren, tauchten sie 2019 auf einem Festival in den Niederlanden wieder auf, wenn auch zum Duo geschrumpft. Und natürlich müssen Courtney und Alper sich die Frage gefallen lassen, ob sie mit "Eupnea" imstande sind, die damalige Magie zu versprühen, ohne zu ihrer eigenen Revival-Band zu werden. Es braucht nur wenige Sekunden des Openers "New obsession", und man ist versucht, diesen Titel als programmatisch zu bezeichnen. Wunderschön sachte, fast körperlos gleitet der zweistimmige Gesang über einen instrumentalen Teppich, bis das Tempo anzieht und elektronisch unterfütterte Riffs die Kontrolle übernehmen. Fünf Minuten dauert es, bis ein fettes Ausrufezeichen im Raum steht: They're back!

Wenn die zwei schon einmal dabei sind, in alter Klasse zu brillieren, darf es mit dem folgenden "Silent genesis" dann auch gleich der erste Longtrack seit dem Debüt sein. Wieder lassen sie den faszinierten Hörern Zeit, sich auf den Flow des Songs einzulassen, geben einander Raum zur Entfaltung der jeweiligen Fähigkeiten und erinnern dabei vor allem in den instrumentalen Teilen ein klein wenig an die späte Phase von Porcupine Tree. Das betrifft sowohl Atmosphäre als auch Songaufbauten, aber auch die Fähigkeit, wie bei "Ghosts & typhoons" zwischendurch völlig enthemmt die Gitarren krachen zu lassen. Und als wollte Chloe Alper diese breitbeinigen Riffs nur mit der Kraft ihrer Stimme filetieren, machen die Gitarren plötzlich Platz für geradezu zarte Melodiebögen. Das ist schwelgerisch, das ist opulent, das klingt vor allem bezaubernd und weckt Erinnerungen an Hörgewohnheiten, als Musik kein Fast Food für die Ohren war, sondern erschlossen werden wollte. Wunderschön.

Wie eine Synopsis der neuen Pure Reason Revolution wirkt am Abschluss der alles überragende Titeltrack. Jegliche Ablenkung, jegliches Nebenbeihören bei der Hausarbeit wäre ein Verbrechen an diesem Prachtwerk. Über mehr als 13 Minuten breitet das Duo all sein Können aus, wenn sich Schicht um Schicht entfaltet, sich immer neue Finessen offenlegen, die ihren Teil zu dieser Reise beitragen, bis sie von einem neuen Erlebnis abgelöst werden. Erneut umschmeichelt eine majestätische Stimmung, bis sich erste Gitarren-Widerhaken ausbilden, sich zunächst wieder zurückziehen, aber dann in einem prachtvollen Finale eskalieren. Die knallharte Elektronik von "Amor vincit omnia" ist dabei nahezu vollständig passé, doch genausowenig mag "Eupnea" an das Debüt erinnern. Vielmehr gelingt es Jon Courtney und Chloe Alper, Pure Reason Revolution nach zehn Jahren neu zu erfinden und doch das Gefühl zu vermitteln, als seien sie nie weg gewesen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • New obsession
  • Silent genesis
  • Eupnea

Tracklist

  1. New obsession
  2. Silent genesis
  3. Maelstrom
  4. Ghosts & typhoons
  5. Beyond our bodies
  6. Eupnea
Gesamtspielzeit: 47:48 min

Im Forum kommentieren

8hor0

2020-04-22 12:40:46

büßt über die zeit nichts an großartigkeit ein! 9/10

8hor0

2020-04-06 17:11:22

beim wiederentdecken ihrer discographie hab ich folgende songs wieder sehr ins herz geschlossen:

https://youtu.be/QB5eN2-A9AQ

https://youtu.be/JRmv_zuqigM

https://youtu.be/oJrxC-Kk7BM

Marküs

2020-04-04 12:52:29

Geiler scheiß Alter, allen Pfingstochsen und Coronaviren zum Trotz war die Scheibe gerade zusammen mit der neuen Conception in der Post. Werde ich mir heute bei ein bis drei (!) Flaschen Weißwein auf meinem Balkon reinziehen.

Sick

2020-04-03 23:16:30

Geil, das hat was. Ich glaub ich find das super.

Marküs

2020-04-03 21:03:28

Toll Bonzo meine CD-Version kommt Corona sei Dank wahrscheinlich erst Pfingsten an! :-(

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