
Purity Ring - Womb
4AD / Beggars / IndigoVÖ: 03.04.2020
Gleitmittel zum Zweck
Bescheidenheit ist eine Zier – auch Purity Ring halten's mit ihr. Arg grenzdebiler Reim, doch wo soll man den schon anbringen außer bei einer Band, die ihren Songs semantisch verschlungene Titel wie "Anenamy" oder "Obedear" gibt und statt einer eierlegenden Wollmilchsau aus Witch House, Neo-R'n'B und Synth-Wave schlicht "Pop" sein will? Entsprechend begingen Megan James und Corin Roddick 2017 das Fünfjährige ihres Debüts "Shrines" nicht mit großem Hipster-Brimborium, sondern lediglich mit dem schüchtern eingeschobenen Non-Album-Track "Asido". Dieser wagte ein bisschen mehr HipHop und größere Luftblasen im glitzernden Klacker-Groove, legte sich erneut verführerisch ins elektronische Zuckerzeug und verhinderte trotzdem, dass der zuletzt auf "Another eternity" karamellisierte Sound verklumpt wie jahrealte Bonbons in der Dose. Gleichzeitig ein Fingerzeig Richtung "Womb": Allzusehr aus ihrer vermutlich von Limette-Minze-Duschgel verwöhnten Haut können die zwei Kanadier auch hier nicht.
Wollen sie offenbar auch gar nicht: Zu kuschelig mutet der titelgebende Schoß aus James' engelsgleicher Stimme und den maximal komprimierten Texturen an, die Roddick seinen Maschinen entlockt, als dass Purity Ring daran interessiert wären, den bequemen Platz an der Spitze der synthetischen Nahrungskette aufzugeben. Nicht umsonst bittet die Single "Stardew", ein diskret an der Temposchraube drehender – genau – Popsong am Ende dieses Albums, "einfach da zu sein, wo Du bist" – und das ganz ohne die Hilfe von Hashtags wie #staythefuckhome. Doch solche beunruhigenden Realitätsbezüge verbieten sich angesichts dieses freundlich gleitenden, aber auch vergleichsweise aufgekratzten Finales, das auch Chvrches jederzeit auf dem Zettel haben könnten, praktisch von selbst. Vergleichbare Schlüssigkeit erreicht "Womb" während der zuvor verstrichenen halben Stunde allenfalls im trockenen Klopfer "Silkspun" – überzieht den Hörer dafür aber äußerst zweckmäßig mit einer funkelnden akustischen Saccharin-Schicht.
Nicht verwunderlich, dass "Womb" oft betört und nur ab und zu klebt – und auch die Befürchtung, die stattliche Zufuhr von Süßkram vernebele die Sinne, entpuppt sich schnell als billigend in Kauf genommene Sollbruchstelle in einer pastellfarbenen Candy-Crush-Saga. Die fragmentierten Rhythmen des ins Verhuschte lappenden Openers "Rubyinsides" gehören dabei genauso zum mutwillig weichgezeichneten Klangbild wie der sämtlichen Beats entsagende Wachtraum "Almanac". Deutlich mehr zum Festhalten bieten der verspielte Daddel-Hop von "Pink lightning" oder "Peacefall", ein versonnener kleiner Singalong-Hit, der das so schlichte wie reizende Selbstverständnis des Duos mit rosa Edding unterstreicht. Und ist "Femia" gar als geschlechtstheoretische Hypnose-Sitzung gedacht? Oder bloß als Köstlichkeit auf dem gleichen Electric Piano, das schon These New Puritans' "Organ eternal" unwiderstehlich machte? Nicht so wichtig: Auf der Zunge zergehen lässt man sich "Womb" so oder so. Manchmal sogar zur Fastenzeit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Pink lightning
- Femia
- Stardew
Tracklist
- Rubyinsides
- Pink lightning
- Peacefall
- I like the devil
- Femia
- Sinew
- Vehemence
- Silkspun
- Almanac
- Stardew
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AVMsterdam
2020-04-06 11:31:14
Ja, also der Klang und das Songwriting haben sich nicht/kaum weiterentwickelt, aber ich liebe diesen Klang, daher ...
musie
2020-04-03 16:06:18
Höre das Album gerade bewusst auf dem Balkon an der Sonne durch. Haut mich weg! Ist viel besser als erwartet. Kopfhörermusik! Und nix zum im Hintergrund hören, das ist erfreulich vielschichtig.
AVMsterdam
2020-04-03 14:13:36
Muss ich mir mehrmals anhören, um mir eine Meinung zu bilden. Der Klang scheint detailreicher geworden zu sein, als beim letzten Album, die Stilistik ist unverändert geblieben.
cargo
2020-04-03 09:34:59
Meine Güte ist das ein langweiliges Album... Früher hatten sie zumindest noch den ein oder anderen Hit, aber das ist echt biederster Gleichklang in Perfektion.
8hor0
2020-04-02 14:21:50
Purity Ring - i like the devil
https://www.youtube.com/watch?v=SKnLfirc2Sg
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Referenzen
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