
Anna Burch - If you're dreaming
Heavenly / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 03.04.2020
Von hinten wie von vorne
Was für ein Jahr! Als Anna Burch 2018 ihr Solo-Debüt "Quit the curse" auf den Markt brachte, hätte die Mittzwanzigerin wohl am wenigsten mit dem unglaublichen Wandel in ihrem Leben gerechnet. Satte 127 Shows spielte sie zur Unterstützung dieses kleinen, aber feinen Albums, rund ein Drittel aller Abende des Jahres also, begab sich auf Tour und verlor, langen Nächten und verkaterten Morgen geschuldet, mehr und mehr den Kontakt nach Hause. Freundschaften fingen an zu leiden, die Familie sah sie höchstens noch an Feiertagen. Da kann man schon mal etwas melancholisch werden – als Burch sich schließlich nach ihrer Heimkehr ans Schreiben ihres zweiten Albums "If you're dreaming" machte, wurde diese neue Ruhelosigkeit glücklicherweise zum Antrieb.
Zwölf neue Songs gibt es auf dem Zweitling, und die Transformation, die Burch in ihrem eigenen Leben spürte, wird auch hier zu Beginn deutlich. Allzu offensichtlich ist das Augenzwinkern, wenn ein Album namens "If you're dreaming" mit einem Song beginnt, der "Can't sleep" heißt und sich zunächst beinahe monoton im Gehörgang einnistet. Sobald der Refrain einsetzt und der Knoten im Bettlaken platzt, ist man mittendrin in diesem abermals kleinen, aber feinen Werk voller zarter Melodien und starker Stimmen – oder war es andersrum? "I'm so tired", singt Burch immer wieder in der darauffolgenden Single "Party's over", und auch: "Feels like I lost my mind." Manchmal kann die Erfüllung eines Traums auch ein Albtraum sein, zumindest vorerst. Im weiteren Verlauf von "If you're dreaming" wird der Schlaf ruhiger und Burch gewinnt den Kampf gegen sämtliche Monster, die ihr da in dieser Parallelwelt über den Weg laufen.
"So I can see" ist nämlich schon so ein kleiner Befreiungsschlag, der zwar mit einer durchaus zerbrechlichen, aber mindestens eindringlichen Tonfolge seinen Standpunkt verteidigt und dem Gegenüber die Leviten liest. Mit dem lieblichen Instrumental "Keep it warm" beendet Burch die erste Hälfte des Albums und startet ausgeschlafen in die zweite: Da darf sich "Tell me what's true" mit aller Gelassenheit von früheren Ängsten und Unsicherheiten lösen und im Licht der Zuversicht baden, ohne wirklich alle Antworten auf vor langer Zeit gestellte Fragen gefunden zu haben. Und "Not so bad" wagt glatt den Schritt ins Neunzigerjahre-College und stellt indie-poppig fest, dass schon alles irgendwie seinen Weg gehen wird. "And I'm still here / If it's not clear."
War "Quit the curse" noch eine Ansammlung sensibler Hymnen zum Erwachsenwerden, steht "If you're dreaming" mit beiden Beinen auf dem Boden, in der Ecke der Karton mit den Versicherungsanträgen, auf dem Tisch der Steuerbescheid, vor der Tür der Vermieter. Während Burch anfänglich noch Zweifel hinsichtlich dieses Lebens hat, wird sie nach und nach selbstbewusster. Der sanfte Sechzigerjahre-Pop von "Every feeling" ist das Zeugnis einer jungen Frau, die sich ihren neuen Umständen nicht nur angepasst hat, sondern sich darin pudelwohl fühlt. "If you're dreaming" ist, nicht nur im Bezug auf den Vornamen der Künstlerin, von hinten wie von vorne wunderbar, und im Mittelteil gar am besten. Da wirkt es fast schon wie ein Segen, wenn Burch ganz zum Schluss ein Versprechen abgibt: "I'm here with you." Da kann ja nichts mehr schiefgehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Party's over
- So I can see
- Not so bad
Tracklist
- Can't sleep
- Party's over
- Jacket
- So I can see
- Ask me to
- Keep it warm
- Go it alone
- Tell me what's true
- Not so bad
- Picture show
- Every feeling
- Here with you
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Armin
2020-03-25 21:03:10- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
saihttam
2020-03-13 14:26:00
Ich hatte die Befürchtung, dass der Thread sonst komplett untergeht, da der zum letzten Album ja schon kaum Beachtung gefunden hat. Aber wenn du als Supporterin eintrittst, wird das ja diesmal vielleicht was. ;)
Jennifer
2020-03-12 19:27:08
Habs mal verschoben. Für neue Alben gern neue Thread erstellen!
Liegt übrigens seit einem Monat oder so schon vor. Prima Scheibe.
Jennifer
2020-03-12 19:25:27
saihttam
2020-03-12 16:10:57
Tell Me What's True
Not So Bad
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