Moses Pelham - Emuna

3p / RCA / Sony
VÖ: 06.03.2020
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eine Faust und ein Halleluja

Hand aufs "Herz": Moses Pelham ist ein grundsympathischer Zeitgenosse. Ein Typ mit Ecken und Kanten, der in seinem Leben so manches geleistet, aber auch viel Mist gebaut hat. Klar, wer Stefan Raab die Fresse poliert, punktet schon mal bei vielen. Andererseits gehört zur ganzen Wahrheit auch, dass der 3p-Boss sich unter anderem mitverantwortlich zeichnet für das Schlimmste, was die deutschsprachige Popmusik bislang hervorgebracht hat – Xavier Naidoo. "Wir sind sehr gut darin / Schlechte Entscheidungen zu treffen", rappt der knuffige Rödelheimer daher nicht unzutreffend auf seinem neuen Album "Emuna", das wie die Vorgänger im indifferenten Graubereich zwischen völlig missraten und richtig gut landet. Was zugegebenermaßen schon etwas mehr ist, als Vorab-Singles wie "Weiße Fahne" und "Wunder" mit ihren schwülstigen Refrains erhoffen ließen. Denn die emotionale Tiefe, die hier mit allzu durchschaubaren musikalischen Mitteln zu suggerieren versucht wird, steht im eklatanten Missverhältnis zur Plattheit der Texte.

Zeilen wie "Solang mein Herz schlägt / Solange ich leb' / Solange weht / Hier keine weiße Fahne" erinnern an die erbaulichen Kalendersprüche, mit denen der Träger der Frankfurter Goetheplakette seine Follower in den sozialen Medien beglückt. Erwiesenermaßen kann Moses Pelham es besser – und dieses Können lässt er auch auf "Emuna" hin und wieder aufblitzen. Im ebenfalls schon vorab ausgekoppelten "Notaufnahme" legt er in Sachen Pathos und Dramatik zwar sogar noch eine Schippe drauf, bellt und knurrt dabei aber wie in den guten alten Tagen, damals im Frankfurter Nordwesten. Und auch "Backstein" lässt den Hund von der Leine, weiß aber vor allem durch die gekonnte Vermählung von Old-School-Hiphop mit modernen Trap-Einflüssen zu überzeugen. Da drückt man dann auch gern ein Auge zu, wenn nicht jede Punchline ihr Ziel trifft. Denn was ist ein Mensch ohne seine Schwächen? Die Antwort gibt unerwartet ein Song mit dem wunderbaren Titel "Äää!!!111". Pelham sinniert über seinen Hang zum Alkohol und schafft dabei den schwierigen Spagat zwischen kalauerndem Witz und wirklicher Einsicht. Hut ab.

Wo die Songs hingegen allein auf ihre vermeintliche "Deepness" bauen, kommen sie über abgedroschene Floskeln und bedeutungsschwangere Plattitüden oft nicht hinaus – und scheitern daher in schöner Regelmäßigkeit vor allem dann, wenn auch Beats und Instrumentierung zu beliebig geraten. Erweist sich beispielsweise das titelgebende Duett mit Silbermond-Heulboje Stefanie Kloß in der Standard-Version noch als einigermaßen gefällige Dubstep-Nummer, ertrinkt "Emuna (akustisch)" vollends im Kitsch. Aber auch in Songs wie "Du" und "I love you", einer Kollaboration mit dem Frankfurter Rapper Vega, kann die ansprechende Verpackung nicht über die Einfallslosigkeit in Sachen Lyrics hinwegtäuschen. Im Zusammenspiel mit der plakativen Religiosität – "Emuna" ist das hebräische Wort für "Glaube" – wirkt das dann teilweise gar so, als hätte hier jemand den Soundtrack für den nächsten evangelischen Kirchentag schreiben wollen. "Denn so schwer's oft fällt / Sie ist die Liebe dieses Lebens / Der Herrgott selbst / Hat sie mir zu lieben geben." Halleluja. Oder besser gesagt: Autsch.

Doch läuft eine derartige Kritik nicht selbst Gefahr, allzu wohlfeil zu werden? Denn wenn es um Kernkompetenzen wie Songwriting und eine souveräne Produktion geht, macht sich die lange Erfahrung durchaus bemerkbar – und Moses Pelham seine Sache insgesamt nicht schlecht. "Emuna" bietet dabei einerseits Bewährtes, ohne altbacken zu klingen, fährt andererseits aber auch mit einigen erfreulich unaufdringlichen Neuerungen auf. Wenn selbst der Cloud-Rap-Ausflug, den der knapp Fünfzigjährige in "Wunder" unternimmt, nicht annähernd so peinlich rüberkommt, wie man es vermuten würde, sagt das schon einiges aus. Wobei auch klar ist: Anno 2020 muss Moses Pelham niemanden mehr etwas beweisen, für Innovationen und Trends sind längst andere zuständig. Aber das ist eben ein Privileg des Alters – sich einfach mal zurücklehnen, die Jungen machen lassen und ab und an eine altkluge Bemerkung fallen lassen. So wie in "Wunder": "Ich hab' keine Peilung / Was die Kids gerad' fragen / Meinst Du, die meinen was ich mein' / Wenn sie Hip-Hop sagen?" Mehr solcher aufrichtigen Momente und weniger vom Glaube-Liebe-Hoffnung-Bausatz wären dieser Platte zu wünschen gewesen. Aber wie gesagt: Niemand ist perfekt. Und das ist schon ok so.

(Markus Huber)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Notaufnahme
  • Backstein
  • Äää!!!111

Tracklist

  1. Notaufnahme
  2. Wunder (feat. Faiz Mangat)
  3. Weiße Fahne
  4. Der Mond hört mir zu (feat. Majan)
  5. Du
  6. Backstein
  7. Lala
  8. Äää!!!111
  9. Juli
  10. Emuna (feat. Stefanie Kloß)
  11. I love you (feat. Vega)
  12. Emuna (akustisch) (feat. Stefanie Kloß)
Gesamtspielzeit: 44:46 min

Im Forum kommentieren

Armin

2020-03-17 20:12:22- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Analog Kid

2020-01-11 11:45:16

"Moses Pelham rappt dazu mit ungekannter Dringlichkeit von den Momenten, in denen das Ende der Fahnenstange erreicht ist, in denen alle Stricke reißen und es hart auf hart kommt."

Da gibt's doch was von ratiopharm:

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Cayit

2020-01-11 11:06:31

RÖDELHEIM IST DIE MACHT IHR FOTZEN !!!

jo

2020-01-10 20:09:34

Kann man hier nicht die Promomaschinerie mal auslassen? Interessiert doch anscheinend niemanden. Pelham war schon immer irrelevant.

Armin

2020-01-10 19:11:27- Newsbeitrag

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