Nap Eyes - Snapshot of a beginner

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 27.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Auf Halbmast

Nap Eyes, was soll denn das sein? Nicht mal das sonst so schlaue Urban Dictionary lässt sich hier zu Rate ziehen, also mal frei assoziiert: Augen, die vor Müdigkeit auf Halbmast hängen, während ein Sabberfaden das Kinn entlangkriecht? Endgültig lässt sich die Bedeutung des Bandnamens der Gruppe aus dem kanadischen Halifax, Nova Scotia, an dieser Stelle wohl nicht klären, aber so langweilig, dass man darüber gleich einen Power Nap einlegen müsste, ist ihr mittlerweile viertes Studioalbum "Snapshot of a beginner" jedenfalls keineswegs. Ihr Indie-Pop kommt zwar grundsätzlich gechillt und tiefenentspannt daher, fährt dadurch aber auch den Puls des Hörers auf ein angenehmes Maß herunter. Elf Songs, so erbaulich wie ein warmer Kakao am kalten Frühlingsmorgen.

Spannend oder aufregend neu ist hier also mal überhaupt gar nichts: Nap Eyes schlendern in beschaulichem Schritttempo durch ihren Jangle-Pop, drehen hier und dort mal eine Extrarunde, weil es doch so schön war, nehmen den Hörer an die Hand und führen ihn in eine wolkige Welt, in der alle Probleme heruntergedampft werden. Eine seltene Qualität. In manchen Momenten klingt das Quartett so, als würden The Strokes in einem zugestellten Hobbykeller Real Estate covern. Passenderweise trägt schon der Opener den zwar nicht prophetischen, aber sich stimmig ins Gesamtbild fügenden Titel "So tired": Die Stimme Nigel Chapmans zieht einsame Kreise, die Gitarren drängeln sich in wenigen, ausgesuchten Augenblicken sachte ins Bild, sorgen ansonsten jedoch für eine äußerst harmonische Grundierung.

"Primordial soup" besticht dann mit seinem sonnigen Gemüt und einer Melodie, die sich mit zärtlicher Gewalt ins Stammhirn fräst. Nap Eyes entwickeln sich mit ihrem neuen Album zu Meistern des Kleinformats, ihre sympathischen Dreiminüter sind charakterstärker und ausgefeilter als noch auf dem direkten Vorgänger "I'm bad now" aus dem Jahr 2018. "Even though I can't read your mind" flirtet zum Beispiel auf charmant-verplante Art und Weise mit dem Country, ohne sich gleich einen albernen Cowboy-Hut aufzusetzen. Und im maximal zurückgelehnten "Mystery calling" gönnen sich Nap Eyes ein wenig von dem köstlichen Zaubertrank, in den Kurt Vile als Kind gefallen ist und liefern Indie-Rock mit Ruhepuls kurz vor dem absoluten Nullpunkt.

Im flotten "Mark Zuckerberg" spielt sich eine gewisse Powerpop-Informiertheit in den Vordergrund, gegen Ende legen sich Streicher vom Band wie ein Pflaster auf die kleinen Kratzer, die sich der Song bis dato beim Toben und Tollen geholt hat. Mühelos pendeln Nap Eyes bei aller Grundentspanntheit zwischen dynamischen Indie-Pop-Zweiminütern wie "If you were in prison" und dem ausgedehnten Eierschaukel-Trip "Real thoughts", der problemlos auf die vierfache Spielzeit kommt. So oder so wickeln Nap Eyes den Hörer um den Finger, mit Wohlklang und Harmonie, dosierten Ausbrüchen und einer Grundhaltung, die an jene der Slacker aus den Neunzigerjahren erinnert. Und die uns in unsteten Zeiten wie diesen manchmal auch ganz gut tun würde.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • So tired
  • Primordial soup
  • Real thoughts

Tracklist

  1. So tired
  2. Primordial soup
  3. Even though I can't read your mind
  4. Mark Zuckerberg
  5. Mystery calling
  6. Fool thinking ways
  7. If you were in prison
  8. Real thoughts
  9. Dark link
  10. When I struck out on my own
  11. Though I wish I could
Gesamtspielzeit: 45:35 min

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Telecaster

2020-03-24 11:14:05

Gefällt mir gut. Gesang erinnert mich an die Eels.

Armin

2020-03-17 20:11:56- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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