
Eye Flys - Tub of lard
Thrill Jockey / IndigoVÖ: 20.03.2020
Schweinewelt
Schon Morrissey wusste: Das Leben ist ein Schweinestall. Und auch zahlreiche Bands aus den Bereichen Hardcore, Sludge und Punk beziehen sich im Namen auf die an sich freundlichen Nutztiere mit der lustigen Steckdosen-Schnauze, wenn es darum geht, die Beschissenheit der Dinge an üblen Zeitgenossen festzumachen – siehe die Referenzen unter dieser Rezension. Eye Flys aus Philadelphia gehören zwar nicht dazu, haben sich aber immerhin nach einem Song des Melvins-Debüts "Gluey porch treatments" benannt, und die hatten auf "Pigs of the Roman empire" oder "Everybody loves sausages" auch etwas zum Thema zu sagen. Der schmalzige Albumtitel hat jedoch weder mit Brotaufstrich noch mit der Band von Jello Biafra und Al Jourgensen zu tun, sondern zitiert das Schimpfwort, mit dem gedankenlose Idioten in der Schule den nicht eben schmächtigen Sänger und Gitarristen Jake Smith bedachten – zu einer Zeit, als man Body Shaming noch für ein übelriechendes Duschgel hielt. Die gute Nachricht: Er zahlt es ihnen gerade heim.
Und zwar mit einem kurzen, aber hundsgemeinen und tödlich präzisen Frontalangriff aus Noise-Rock und Grindcore-Elementen, hinter denen als treibende Kraft außerdem Spencer Hazard steht, wenn er die Stahlsaiten nicht gerade bei den irrsinnigen Powerviolence-Nachbarn Full Of Hell rasseln lässt. Und auch nach der zornigen Ansage im eröffnenden Quasi-Titelstück "Tubba lard" malmt die gerechte Hass-Maschine dieses Albums so vernichtend, dass es gar keine bessere Beschreibungsebene geben könnte als einen Song wie "Guillotine", der die rasanten Gitarrenschläge des Helmet-Klassikers "Meantime" bis auf ihre Grundfesten niederbrennt. Auch bei "Predator and prey" sind die Rollen klar verteilt, während sich glühende Riff-Walzen mit Gewalt-Eruptionen abwechseln, und der sexuell übergriffige "Nice guy" bekommt zu kreischenden Leads und Smiths verächtlichem Gepöbel so lange sein Schweinefett weg, bis er sich damit selbst den Allerwertesten pflegen kann. Vox populi, vox Borstenvieh? Eye Flys halten lautstark dagegen.
Wer nun denkt, dem Quartett würde vor lärmiger Hast und perforierten Stimmbändern bald die Puste ausgehen, befindet sich allerdings auf dem Holzweg: Ist der Hörer dem "Reality tunnel" entstiegen, durch den ihn Eye Flys auf ihrem Fulltime-Debüt schleifen, zieht "Tub of lard" in der zweiten Hälfte die Geschwindigkeit erst recht an. In drei atemlos hintereinandergepflanzten Eineinhalbminütern, wobei sich die "Chapel perilous" nicht als die ersehnte Ruhestätte, sondern als eine brutzelnde Vorhölle entpuppt, in der man viel rennen muss – die Hoffnung auf auch nur ansatzweise filigrane Muse dürfte inzwischen auch das letzte Schwein aufgegeben haben. Dass sich in den Stop-and-go-Wahnwitz eines großartig niederwalzenden Albums dabei zuweilen eine gewisse Konturlosigkeit einschleicht, ist erstens zu verknusen und liegt zweitens in der Natur einer in ihren Mitteln limitierten, aber gnadenlos konsequenten Musik, nach deren rigoroser zivilisatorischer Abrechnung es nichts mehr zu sagen gibt. Allenfalls "Oink." Aber das gilt nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tubba lard
- Guillotine
- Predator and prey
- Nice guy
Tracklist
- Tubba lard
- Guillotine
- Predator and prey
- Not ready for tomorrow
- Reality tunnel
- Nice guy
- Chapel perilous
- Extraterrestrial memorandum
- BLS
- Perception is gamble
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Armin
2020-03-10 21:30:46- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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