Code Orange - Underneath

Roadrunner / Warner
VÖ: 13.03.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Guter Witz

Im Grunde war es klar, im Grunde haben es alle gewusst. Schon vor Jahren, als Code Orange noch mit dem Zusatz "Kids" durch das Vorprogramm diverser The-Wave-Bands berserkerten und wirklich allen, die das Schauspiel bewundern durften, mindestens ein bewunderndes "Die sind doch nicht ganz sauber" abrangen, war klar, dass diese Band im besten Sinne neben der Spur läuft. Nicht ganz sauber eben. Ein Glück, dass auch die Band das wusste, den Namenszusatz Kids strich und sich fortan eine Nische zu basteln begann, aus der sie unter keinen Umständen mehr herauszudenken ist. Ergo: Auch "Underneath" spielt sich im Wesentlichen zwischen Hardcore, Doom, Industrial, Metal und vollständigem Wahnsinn ab und kennt selbstredend keine Genre- und erst recht keine Schmerzgrenzen.

Das ergibt unterm Strich 14 neue Songs, die von der ersten Sekunde an alle Aufmerksamkeit erfordern. Wenn nämlich das bis zur Unkenntlichkeit zerhackstückelte Intro "(deeperthanbefore)" unvermittelt per Kinderstimme "Let's take a good look at you" spricht, ist der Beklemmungszustand vorprogrammiert. Was aufwändige Suspense-Horror-Schinken in über 90 Minuten nicht hinkriegen, gelingt Code Orange in unter 90 Sekunden spielend. Ja, man kann tatsächlich Angst vor Musik haben. Entsprechend perfekt ist man vorbereitet, auf "Underneath". Man weiß, es wird uneingängig as fuck, es wird hässlich, schmerzhaft, anstrengend, physisch und psychsisch fordernd und genau deshalb ungemein lustvoll. Ja, das klingt irgendwie fast pervers. Aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Code Oranges Output seit "I am king" in etwa so einladend klingt, wie ein lange nicht mehr gelüfteter Raum voller Blut, Schweiß, Erbrochenem und Verwesung.

Trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb ist die Inszenierung ein Kunstwerk. All die Gewalt und Hässlichkeit wird präzise eingesetzt, all der Wahnsinn kommt oft in vollendeter Kontrolle zur Anwendung. Am Ende steht ein Song wie das vorab veröffentlichte "Swallowing the rabbit whole": Ein nervöser Aufgalopp zerrt da an den Synapsen, um seine Hörer in weiterer Folge durch alle Arten verfügbaren Drecks zu schleifen, zwischenzeitlich gar kurz beim ollen Punk vorbeizuschauen. Spukt, keift, growlt, lehrt den finstersten Metal-Zampanos das Fürchten und macht ungemein Laune. Auch das folgende "In fear" gibt sich bemerkenswert wandelbar, wirft in seinem abgehackten Auftakt die Frage auf, ob die Aufnahme nicht grundsätzlich kaputt ist. Reba Meyers sorgt für sinistre Atmosphäre – und im Refrain für die vollständige Verwüstung.

Gerade in dem Moment, als man die scharfen Ecken und Kanten langsam vorhersieht beginnt, kommt dann "Sulfur surrounding" daher. Mit der Reprise des Intros, mit Akustikgitarren und mit einem geradezu souligen Gitarrenlick. Im Code-Orange-Kontext könnte das glatt als Ballade durchgehen. Sicher ist: Der Song läutet eine Phase der Zutraulichkeit ein. "The easy way" macht ordentlich Tempo, geriert sich aber die meiste Zeit nachvollziehbar und bisweilen geradezu melodisch. Auch "Last ones left" geht, obwohl es über die volle Spielzeit ordnungsgemäß durchgeschreddert wird, vergleichsweise sanft mit seinen Hörern um. Ansonsten lässt sich weder erkennen noch vorhersagen, wann genau die Apokalypse wieder über einen hereinbricht, wann man von einem irrwitzigen Break zum nächsten Riff-Alptraum geschleudert wird. Und steht entsprechend nackt da, wenn "A sliver" nach langer Intro-Vorarbeit unvermittelt nach vorne prescht und zum Highlight wird. Die Aufgabe, Code Orange in Worte zu fassen gleicht weiterhin einem Witz. Und der ist noch lange nicht auserzählt.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Swallowing the rabbit whole
  • In fear
  • Sulfur surrounding
  • A sliver

Tracklist

  1. (deeperthanbefore)
  2. Swallowing the rabbit whole
  3. In fear
  4. You and you alone
  5. Who I am
  6. Cold metal place
  7. Sulfur surrounding
  8. The easy way
  9. Erasure scan
  10. Last ones left
  11. Autumn and carbine
  12. Back inside the glass
  13. A sliver
  14. Underneath
Gesamtspielzeit: 47:34 min

Im Forum kommentieren

Klaus

2020-07-05 16:17:00

Gerade läuft es mal wieder. Mein Metal/wasauchimmer-Album des Jahres bisher. Dieses großartige Chaos, dieses fiese Geballer und dann diese elektronische Eskalation. Perfekt zum vor dem Sport.

Dumbsick

2020-03-22 18:17:39

Weitere Review:

https://www.transcendedmusic.de/2020/03/code-orange-underneath-review/

Find das album gut, aber etwas schlechter als den Vorgänger

tjsifi

2020-03-13 15:30:15

Code Orange's Underneath is the greatest metal record in a generation - read our 10/10 review

https://www.loudersound.com/reviews/code-oranges-underneath-is-the-greatest-metal-record-since-book-of-souls

tjsifi

2020-03-13 11:31:59

Nach dem ersten Durchgang bin ich ziemlich begeistert!
Zitiere mal aus dem metal.de Review:
"Brutal, verstörend und auf eine ziemlich perfide Art catchy."

tjsifi

2020-03-10 13:36:27

Noch ein Song vom neuen Album:
https://youtu.be/lwL3gFNBOHg

Freue mich auf Freitag!

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