Silverstein - A beautiful place to drown

UNFD / Membran
VÖ: 06.03.2020
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nach dem Flächenbrand

Alle um 1995 und davor geborenen Emokids wissen Bescheid: Von den einstigen Teenage-Postcore-Größen der frühen 2000er sind nur noch wenige übrig – zumindest nicht, ohne dass sie drastisch am Sound geschraubt hätten, was dann meist den Eindruck hinterlässt, die Künstler würden zur zahmeren Version ihrer selbst die Sample-Beats der gerade frisch erworbenen Drum Machine herunterbrettern. Vor allem der poppigere Postcore-Sektor hat sich gewissenhaft ins Leere gepfiffen. Silverstein geben da den Fels in der Brandung. Oder doch eher den Fels nach dem Flächenbrand? Denn auch im zwanzigsten Jahr des Bestehens reißen die Kanadier den Stamm nicht mit den Wurzeln aus. Dennoch sind Gewichtsverlagerungen im Soundspektrum nicht von der Hand zu weisen. Kurzum: Die Band liefert auf "A beautiful place to drown" gesamt betrachtet deutlich mehr Pop-Punk und weniger Shouts. Das allerdings ohne Ermüdungserscheinungen.

Die härteren Momente der Platte sind, wie von den Vorgängern gewohnt, weniger im Hardcore- als im jüngeren Metalcore-Bereich angesiedelt. Und da Silverstein die regelmäßige Abfolge von Shouts und Klargesang immer häufiger hinter sich lassen – manchmal wird nur noch im Bridgepart oder überhaupt nicht mehr gebrüllt – könnten mehrere Song-Passagen problemlos in die Easycore-Kategorie fallen. Sänger Shane Tolds Knabenstimme lässt kaum erahnen, dass der Stimmbruch schon ein Weilchen zurückliegt und schweift zuweilen unangenehm hochgepitcht umher. Das gilt speziell für den Chorus von "Infinite", stößt aber auch in "Coming down" bitter auf. Letztgenannter Track zählt trotzdem zum Einnehmendsten, was die Platte zu bieten hat.

Die Herren wissen, wie ein Chorus beschaffen sein muss, um erstens für den nötigen Knalleffekt zu sorgen und sich zweitens dominant genug im Gehörgang anzusetzen, um dort die Fermentation auszulösen. Pointiert, mit rhythmischen Schlägen werden die Hooklines nach vorne geschnalzt, als wäre man beim Fliegenfischen. Sogar noch im ruhigeren Mittelteil der Platte – im Stadion-Pop-Rock von "All on me", der auch bei One Direction-Fans keine Bauchkrämpfe auslösen dürfte. Im breitbeinigen "Madness" oder in "Burn it down" mit Beartooths Caleb Shomo darf der Bass dagegen sogar ein bisschen rattern. Silversteins Kernelemente zwischen Core und Pop-Punk bremsen einander selten aus. Die Produktion bleibt aber durchgängig kuschelig. Mehr Kinderschere als Klappmesser, um Verletzungen gekonnt aus dem Weg zu gehen.

Daneben liefern die Kanadier mit "Say yes" oder "Take what you give" Powerpop-Tracks, die so stark nach Sommer und mittleren bis späteren Nullerjahren klingen, dass sich eine fiktive Musikrezensentin, sagen wir bei Plattentests.de, spontan per Rewindfunktion zu verjüngen scheint. Der Nietengürtel klickt und lässt seinen Staub fallen, während die im Inneren schlummernde 16-Jährige zu neuer Größe wächst. Was also tun, wenn nicht zum Angriff übergehen? Daher lieber gleich die Fäuste ballen und aus voller Lunge den "Coming down"-Chorus mitbrüllen: "I'VE BEEN FALLING SO LONG / I FORGOT WHAT IT FEELS LIKE TO BE ALRIGHT!" Recht habt Ihr, Silverstein! Daraufhin muss erst mal geduscht werden. Da singt es sich auch besser. Man hat immerhin schon schlechtere Lyrics gehört – also wenn’s nicht gerade um Liebe geht (was es zugegebenermaßen ziemlich oft tut) und man verdrängt, dass vier der fünf Herren älter als 35 sind. Ein prominenter Feature-Gast und Mitkanadier ist nicht umsonst Simple Plans Pierre Bouvier – deren Hormonhaushalt schwankt schließlich seit den ersten Pubertätsanflügen im Stolperschritt. Der innere Teenager darf sich freuen.

(Katharina Bruckschwaiger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bad habits (feat. Intervals)
  • Burn it down (feat. Caleb Shomo)
  • Coming down

Tracklist

  1. Bad habits (feat. Intervals)
  2. Burn it down (feat. Caleb Shomo)
  3. Where are you
  4. Infinite (feat. Aaron Gillespie)
  5. Shape shift
  6. All on me
  7. Madness (feat. Princess Nokia)
  8. Say yes
  9. Stop
  10. September 14th
  11. Coming down
  12. Take what you give (feat. Pierre Bouvier)
Gesamtspielzeit: 37:03 min

Im Forum kommentieren

hubschrauberpilot

2020-02-25 20:21:53

3 Highlights und nur 5/10? Hmmmmm.

Armin

2020-02-25 19:40:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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