Terry Allen And The Panhandle Mystery Band - Just like Moby Dick

Paradise Of Bachelors / Cargo
VÖ: 24.01.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Die perfekte Welle

Terry Allen liebt sonderbare Geschichten. Egal ob Sage, historische Begebenheit, Alltagsszene oder wilder Mythos, der 76-jährige Musiker, der erst mit Anfang 30 sein erstes Album aufgenommen hatte, schenkt vor allem den Absurditäten des Lebens besondere Aufmerksamkeit, ohne jedoch dem Alltag komplett abzuschwören. Schon auf den ersten, heute als Ursprung des Outlaw-Country betrachteten fabelhaften Werken "Juarez" und "Lubbock (on everything)" war sein erzählerisches Talent zu spüren, doch auch auch sein Spätwerk strotzt nur so vor bemerkenswertem Fabuliergrad. Zusammen mit der Panhandle Mystery Band, die aus ähnlich wettergegerbten Haudegen, Familienmitgliedern und der Singer-Songwriterin Shannon McNally besteht, eröffnet Allen mit "Just like Moby Dick" den Blick in ein Panoptikum, dem die Spielfreude aus jeder Pore tropft.

Nachdem Allen im letzten Jahr die komplexe Albumcollage aus Radiosendungen, einer Tanzperfomance und Albuminterpretationen "Pedal steal + four corners" zu Gehör gebracht hatte, ist "Just like Moby Dick" sein erstes Album mit neuen Songs seit 2013. Es sind großartige Lieder von bekannten Persönlichkeiten dabei, wie dem tragischen Zauberer Houdini. Zu tänzelndem Geigenspiel erzählt Allen in "Houdini didn't like the spiritualists" im Duett mit McNally davon, dass Spiritismus doch so gar nicht Houdinis Ding seit, obwohl er doch so gerne davon Gebrauch machen würde, um mit seiner toten Mutter zu kommunizieren. Ähnlich ironisch, doch deutlich griffiger und mit erheblich mehr Inbrunst erklärt er in "Abondonitis", die Angst des Verlassenwerdens, die einen aber eben selbst nicht verlassen kann. Wiederum hingegen zärtlich beklagt er den einsamen "Death of the last stripper" und bereitet ihr, obwohl er sie ja eigentlich selbst kaum gekannt hat, ein sanftes Requiem. "Just like Moby Dick" ähnelt hier den neueren Countryalben eines Sturgill Simpsons oder Orville Pecks, die den bewährten Grundzutaten den gewissen Hauch von Grandezza angedeihen haben lassen.

Allen sieht in vielen Songs hörbar den Sternenglanz durch das Zwielicht schimmern. So ist die "Pirate Jenny" im Gegensatz zum Weill'schen Flintenweib zwar nach wie vor blutrünstig, schneidet Dir aber die Kehle zu sirrenden Gitarren und dem flüsternden Zwiegespräch von Allen und McNally im sanften Sechsachteltakt durch. Ganz anders marschiert er in "City of the vampires" mit dem Zirkus in die Stadt und lässt die Freak-Show-Atmosphäre der Zwangzigerjahre nebst verstimmter Kirmesorgel aufleben. Man merkt ihm nicht nur hier den Hang zum Nokturnen und Obskuren an, selbst in der dreiteiligen "American childhood"-Suite und der dort vertonten Geschichte, über ein junges Mädchen, das für ihr Heimatland wie eine Marionette in den Irak-Krieg zieht, liegt zwischen gefälligen und energischen Gitarrentwangs und nachhallenden Steelguitar-Akkorden etwas Unfassbares: "It’s just the war / Same fucking war / It’s always been / It never ends." Knapp, präzise und leider nicht nur mit Allens Worten erschreckend wahr und ebenso aktuell.

Doch kommen neben den ganzen fantastischen und gerne auch ein wenig blutrünstigen Geschichten die aufreizend klassisch gehaltenen Stücke nicht zu kurz. Egal ob der von Shannon McNally nahezu im Alleingang gesungene, herrlich altmodische Ballroom-Schieber "Harmony Two" oder das abschließende, mit enorm viel Fiddle und Akkordeon bestückte lebensbejahende Shanty "Sailin' on through", Terry Allen holt für sein Album alles an Bord, was eben möglich ist. Und das ist weder Zauberei noch Hexenwerk, schließlich segelt der Musiker immer noch auf einer ganz schön gewaltigen Welle.

(Carl Ackfeld)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Houdini didn't like the spiritualists
  • Death of the last stripper
  • Pirate Jenny
  • City of the vampires

Tracklist

  1. Houdini didn't like the spiritualists
  2. Abandonitis
  3. Death of the last stripper
  4. All that's left is fare-thee-well
  5. Pirate Jenny
  6. American childhood I: Civil defense
  7. American childhood II: Bad kiss
  8. American childhood III: Little puppet thing
  9. All these blues go walkin' by
  10. City of the vampires
  11. Harmony two
  12. Sailin' on through
Gesamtspielzeit: 45:32 min

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Armin

2020-02-17 20:57:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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