Mac Miller - Circles

Warner
VÖ: 17.01.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Vollendung

Alle hier kennen doch "Breaking bad", oder nicht? Während gefühlt die ganze Welt die Serie abfeierte, habe ich circa ab der vierten Staffel nicht mehr weitergeguckt. Was der Serientitel schon verhieß, wurde mir irgendwann zu heftig, alles wurde immer schlimmer, alle Protagonisten zu immer größeren Hurensöhnen, allen voran Jesse Pinkman, auf den ich zu Beginn der Serie noch gesetzt hatte. Mir war schon klar, dass mich hier keine kitschige "Good Will Hunting"-Plotline erwartete, aber es fiel mir schwer zuzusehen, wie Menschen, wenn auch erfundene, alles, was sie Gutes in sich tragen nach und nach verlieren. "Breaking good", das wäre eine Serie für mich. Was ich suchte, fand ich anderswo: in der Beobachtung des Lebens und Schaffens Mac Millers. Pinkman überlebte in der Serie schließlich, Miller starb mit 26 an einer versehentlichen Überdosis. Fuck.

"Man fühlt mit mit dem 1,69m-Männchen mit den krummen Zähnen und dem großen Herzen", schrieb ich in meiner Rezension zu "Swimming", dem bisher letzten Album des Rappers. Miller machte es mir leicht, mich ihm nah zu fühlen. Es beeindruckte mich, wie er seine künstlerische und persönliche Weiterentwicklung verknüpfte. So brachte er es in seiner nicht mal ein Jahrzehnt währenden Schaffenszeit von einem okayen Rapper mit mehr oder weniger nichtssagenden Texten zu einem immer vielseitigeren und anspruchsvollen Künstler, der Niederlagen wie Höhenflüge musikalisch zu be- und verarbeiten wusste, wie es auf einer solch intimen Ebene vielleicht keinem anderen Rapper vor ihm gelang. Spätestens ab "GO:OD AM" wurde sein Riesentalent immer deutlicher und Miller hatte es geschafft, mir die Illusion zu geben, dass wir beide uns kannten. Als er auf dem nachfolgenden "The divine feminine" über beide Ohren verliebt war, freute ich mich für ihn wie für einen guten Freund. Auf "Swimming" gab sich Miller angeschlagen, aber optimistisch, wir trauerten und tanzten gemeinsam. Und dann starb er. Aua.

Knapp anderthalb Jahre danach veröffentlicht die Familie des Rappers, der eigentlich Malcolm McCormick hieß, gemeinsam mit dem Produzenten Jon Brion das Album "Circles", für das Miller schon vor seinem Tod gemeinsam mit Brion die Arbeiten aufgenommen hatte. Die Platte ist also glücklicherweise kein Schnipsel-Sammelsurium geworden, wie es sonst oft bei posthumen Veröffentlichungen der Fall ist. Es ist glaubhaft, dass "Circles", dem, was Miller sich für das Album gewünscht hatte, sehr nahe kommt. Es soll als Prequel für "Swimming" fungieren. "Schön von Dir zu hören", denkt man sich dann sogleich, wenn der Opener und Titeltrack "Circles" einsetzt und Millers typische, bittersüße Attitüde, die sich immer nach dem Guten im Schlechten sehnte, wieder aufnimmt: "I drink my whiskey, you sip your wine / We’re doing well, sitting watching the world falling down its decline", singt er zu soften Gitarren- und Orgeltönen.

Millers Singstimme steht in vielen Songs auf "Circles" im Vordergrund. Besonders schön setzt er sie in "Everybody" ein, das mit luftigem Piano einsteigt und dann mit noch luftigerer Percussion fortfährt. Der Künstler zitiert Arthur Lee: "Everybody's gotta live / And everybody's gonna die", singt er und hatte dabei wohl noch nicht geahnt, wie schwer diese Worte einmal wirken werden. "Sometimes the going gets so good / But then again it gets pretty rough", fasst er zusammen und bringt auf den Punkt, wie ehrlich das Schicksal doch ist, wenn man nur die Variable Zeit streicht. Mit dem Blick auf Millers Tod wirkt auch "Once a day" viel trauriger als es eigentlich gemeint war. "But everybody keep rushin' / Why aren't we taking our time? / Every now and again, baby, I get high", lautet da etwa eine Zeile. Sein Ausweg für zwischendurch wurde ihm am Ende zum Verhängnis. Es tut direkt noch mal weh. Da kämen "Good news" gerade recht, doch Miller muss enttäuschen: "Good news that's all they wanna hear / No, they don't like it when I'm down / But when I'm flying, oh / It make 'em so uncomfortable", stellt er Innen- und Außensicht entgegen und beschreibt zu einer seiner vielleicht größten Melodien sein vielleicht größtes Dilemma. Ein ähnliches Thema greift auch "Surf" auf, das genauso klingt, wie es heißt, bis zum Ende eine verzerrte Gitarre noch mal alles durchwirbelt.

Aufdringlicher kommt der Sound "Hands" daher, das mit psychedelischem Sample-Takt und klirrenden Pianotasten auf den Plan tritt und die "bad dreams", die Miller schon in der ersten Zeile thematisiert, musikalisch aufgreift. Und auch wenn zwischendurch glückverheißende Glocken bimmeln, klingt Miller hier ein bisschen wie ein niedergeschlagener Eminem. Auch "Complicated" kommt aufrührerisch daher, wenngleich das Tempo gezügelt bleibt. Schwabbelnde Synthies bahnen den Lyrics ihren Weg, ähnlich wie es in "Blue world" die rhythmisch eingesetzten Samples und Handclaps tun. Millers Rap erinnert dabei an seinen Flow von "GO:OD AM", auch wenn die Inszenierung eine völlig andere ist. Wie die düstere Variante davon wirkt "I can see" mit seinen wilden 8-Bit-Kombinationen zwischendurch, groovt sich dann aber zu einer sanftmütigen Ballade mit glockenhellen Tasten und gemutmaßtem Ariana-Grande-Backround-Gesang ein. "Woods", der musikalisch stärkste Track der Platte, geht auf Tauchgang in den Untiefen der späten Achtzigerjahre und erscheint wie ein Stevie-B-Track in Zeitlupe. Miller steigt mit souligem Gesang ein und lässt dann einen kraftvollen Rap-Part folgen, "best of both worlds" sozusagen.

Man darf freudig feststellen, dass der Als-wäre-er-noch-da-Ansatz ansonsten weitestgehend aufgeht, weil das Album ein einheitliches Klangbild aufweist und die Songs eine konzeptionelle Einheit bilden, wie es Miller wohl gewollt hätte. Dennoch ist "Circles" weniger inhaltsschwer als "Swimming", was wohl auch daran liegt, dass der Hauptprotagonist bei der Fertigstellung fehlte und der lyrische Feinschliff dadurch ausblieb. Während das Schwesteralbum ein breiteres Spektrum an Ups und Downs kennt und sich in beide Richtungen auch das eine oder andere Mal einfach gehen lässt, bleibt "Circles" entgegen seines Namens relativ straight. Wenn man es in seiner Funktion als Prequel betrachtet, ist es wie der nüchterne Tag, auf den eine rauschhafte Nacht folgt. Damit erfüllt es seine Bestimmung und vollendet Millers Werk prächtig. Ruhe in Frieden, Mac.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Good news
  • Everybody
  • Woods
  • Once a day

Tracklist

  1. Circles
  2. Complicated
  3. Blue world
  4. Good news
  5. I can see
  6. Everybody
  7. Woods
  8. Hand me downs
  9. That's on me
  10. Hands
  11. Surf
  12. Once a day
Gesamtspielzeit: 48:39 min

Im Forum kommentieren

Reingelauscht

2020-12-06 18:37:16

Posthume Veröffentlichungen sind oft enttäuschend. Doch Mac Millers Circles ist eine wahre Perle. Sanft und jazzig klingt es. Unaufdringlich produzierter Neosoul. Ruhe in Frieden Mac dein letztes Werk ist unerwartet eines deiner Besten. Anspieltipp: Good News

Rainer

2020-08-14 11:52:49

Ein mega chilliges Album!

Armin

2020-01-27 20:46:32- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Jennifer

2020-01-10 12:17:17- Newsbeitrag

Kommt am 17. Januar.

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Circles. January 17. Ein Beitrag geteilt von Mac (@macmiller) am Jan 8, 2020 um 8:00 PST




Tracklist:
01 Circles
02 Complicated
03 Blue World
04 Good News
05 I Can See
06 Everybody
07 Woods
08 Hand Me Downs
09 That’s on Me
10 Hands
11 Surf
12 Once a Day

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