Of Montreal - Ur fun
PolyvinylVÖ: 17.01.2020
Sugar, sugar, honey
"Who can I be now?", fragte vor ein paar Jahren der selige David Bowie aus dem Jenseits per unveröffentlichtem Track auf gleichnamigen Boxset. Selbige Frage stellt sich Kevin Barnes vor jedem Of-Montreal-Album offenbar auch. Was darf's denn heute sein? Album Nummer 16 namens "Ur fun" wäre gern MGMT. Die hatten sich zuletzt mit "Little dark age" dem Goth-Synthpop der Achtziger verschrieben und zugleich wieder angefangen, echte Hits zu produzieren. Of Montreal möchten das auch. Nach der Orientierung an ausschweifenden Twelve-Inch-Mixes von Discosongs auf "White is relic / Irrealis mood" kommen die Songs nun ziemlich genau auf den Punkt. Und werden zugleich mit allerlei Süßkram überhäuft.
Wäre da nicht Barnes' leicht sediert leidende Stimme, die den flippigen Synths entgegensteht, es wäre teilweise wirklich schwer, noch Of Montreal dahinter zu erkennen. Gegen etwas Cheesyness ist ja grundsätzlich nichts zu sagen. Doch die Aufforderung "Don't let's be negative / Don't let's be cruel" aus dem abgespaceten Opener "Peace to all freaks" scheint ein Mission Statement zu sein. Klickibunti und verzaubert von Kopf bis Fuß, darunter macht "Ur fun" es gar nicht erst. Wer Dredgs Schunkel-Hymne "Where I'll end up" langsam verdaut hat, bekommt mit "Gypsy that remains" eine Extraportion Sahne als Nachschlag, die wirklich nur ganz, ganz haarscharf an Musikantenstadl-Melodieführung vorbeischrammt. Das folgende "You've had me everywhere" denkt gar nicht dran, den Kitsch-Regler runterzudrehen, auch wenn es wenigstens wieder mehr Hollywood als Voralpenland ist.
Was Of Montreal in diesen Stücken zum Großteil einfach nicht recht gelingen will, ist eine zündende Hook, eine Idee, die das Ding über die Wupper Richtung Hit schubst. Zu sehr wirkt es so, als hätte man es erst richtig auf den großen Kracher angelegt, aber für den finalen Schliff dann doch keinen Bock mehr gehabt. Der dezent angegothte Rocker "Don't let me die in America" hat zwar ein nettes Songkonzept, die ständige Wiederholung des Refrains wirkt aber eher wie die Übertünchung eines Ideenmangels. "Polyaneurysm" startet nicht schlecht, die Spannung verpufft aber leider im Songverlauf ebenfalls. Es will und will einfach nicht klappen. Bis kurz vor Schluss "Ur fun" doch noch gerettet wird.
Denn wie durch ein Wunder tritt das quengelige "St. Sebastian" auf den Plan und begeistert mit dem prominenten Lead-Synth und cooler Atmosphäre. Die Transition in das verschnaufende "Deliberate self-harm ha ha" glückt außerdem vorzüglich, welches wie ein noch dösigerer Bruder des Beatles-Songs "I'm only sleeping" torkelt. Und wenn man schon bei Referenzen an Großmeister ist, kommt ein Titel namens "20th century schizofriendic Revengoid-Man" um die Ecke und erklärt mit schmissigen Gitarren die Sache für beendet. Geht doch! "If everything's fake / I wanna be fake / It's so lonely being the only one who thinks they're real", singt Barnes. So betrachtet ergibt der Plastikgeschmack der meisten Songs leider auch Sinn.
Highlights & Tracklist
Highlights
- St. Sebastian
- Deliberate self-harm ha ha
- 20th century schizofriendic Revengoid-Man
Tracklist
- Peace to all freaks
- Polyaneurism
- Get God's attention by being an atheist
- Gypsy that remains
- You've had me everywhere
- Carmillas of love
- Don't let me die in America
- St. Sebastian
- Deliberate self-harm ha ha
- 20th century schizofriendic Revengoid-Man
Im Forum kommentieren
Gordon Fraser
2020-01-13 14:03:33
"Vergessene Perle 2019"?
Armin
2020-01-12 22:51:52- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Felix H
2019-12-05 22:32:29
Das letzte war echt gut, fand ich. Aber ja, ist ne Wündertüte.
Gordon Fraser
2019-12-05 18:10:13
Der oM-Output ist ja schon länger Zeit ein ziemliches Hit&Miss, aber der neue Song ist in seiner fast schon parodistisch stumpfen Disco-Seligkeit eigentlich ganz nett. Hätte aber auch richtig Bock auf ein gutes oM-Album.
Pascal
2019-12-05 17:58:41- Newsbeitrag
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