The Comet Is Coming - Trust in the lifeforce of the deep mystery

Impulse! / Universal
VÖ: 15.03.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Space is the place

Herman Poole Blount aus Birmingham, Alabama behauptete von sich, ein Alien vom Saturn zu sein, und veränderte die Welt. Der als Sun Ra bekannte Blount war nämlich nur sekundär ein kleiner Spinner und primär ein visionärer Jazz-Magier, der enorm einflussreiche Pionierarbeit für die Ästhetik des Afrofuturismus und die grenzgängerischen Qualitäten seines Genres leistete. Zu seinen zahlreichen Epigonen zählt der Saxofonist Shabaka Hutchings – aktuell vielleicht der größte Star der britischen Jazz-Szene, der mit seinen Bands Sons Of Kemet, Shabaka And The Ancestors und vor allem The Comet Is Coming den Geist Sun Ras atmet. "Trust in the lifeforce of the deep mystery" könnte nicht nur genauso gut ein Albumtitel des kosmischen Urvaters sein, das Trio veröffentlicht auch auf dem legendären Impulse!-Label, Heimat etwa von Blount, Alice und John Coltrane oder Pharaoh Sanders. Ihre Musik ist jedoch kein rückwärtsgewandtes Imitat, sondern ein ganz eigener, progressiver Stilmix, völlig losgelöst von Zeit und Raum.

Ähnlich verheißungsvoll wie sein Titel eröffnet "Because the end is really the beginning" die Platte mit einer strukturlosen Wolke aus beschwörenden Synthies und Drum-Rolls. Wie der Score eines dystopischen Sci-Fi-Films zeichnet der Song ein Bild postapokalyptischer Endgültigkeit, in der die Hoffnung jedoch noch nicht ganz gestorben ist. In "Birth of creation" ersetzt Hutchings sein Hauptinstrument durch eine Bassklarinette und entwickelt gemeinsam mit seiner Band einen Dub-infizierten, abgründigen Groove, dem man sich kaum entziehen kann. Noch einnehmender gerät das grandiose "Summon the fire": Die hochenergetische Saxofon-Performance kippt von Ohrwurm-Melodien in blechernes Geshoute, während das Uptempo-Poltern der Rhythmussektion auch im Post-Punk nicht auffallen würde. The Comet Is Coming spielen "cosmic jazz" im wörtlichsten Sinn, weil ihr stilistischer Schmelztiegel die Universalität aller noch so unterschiedlich wirkenden Arten von Musik proklamiert.

Beweist das Album bis hierhin, dass sich virtuoser Jazz auch zugänglich und tanzbar gestalten kann, betont "Blood of the past" auch den politischen Ursprung des Genres. Über einem bleischweren Instrumental mit metallischem Synth-Dröhnen spricht Kate Tempest die einzigen Worte der Platte, holt zum antikapitalistischen Rundumschlag gegen alle verderbenden Mechanismen der Welt aus: "We got nothing but progress to eat." Es ist das dunkel pochende Herzstück des Albums, dessen Sogwirkung einen unangenehmen moralischen Fingerzeig-Gestus verhindert. Ein paar Songs später ist dieses Feuer der Wut erloschen, "Unity" feiert das friedvolle Miteinander. Nach dem intensiven Ritt der vorigen halben Stunde lockern die drei Londoner hier die Zügel: Hutchings und Keyboarder Dan Leavers lassen ihre Instrumente lose herum flirren, während Drummer Max Hallett ein paar komplexe, aber herrlich entspannte Tribal-Rhythmen spielt.

Die perfekt ineinandergreifende Dynamik rundet "Trust in the lifeforce of the deep mystery" final zum Meisterwerk ab. Das zwischen Aufmüpfigkeit und Melancholie treibende Triple aus "Super Zodiac", "Astral flying" und "Timewave zero" ist ein einziger Fluss, dessen hypnotische Grooves an Neunziger-Trance und -Techno erinnern. Die Ambient-artige Schwebe von "The universe wakes up" verweist schließlich wieder auf den Opener, symbolisiert damit die Brücken, die The Comet Is Coming zwischen Vergangenheit und Zukunft und über die ganze Galaxie der Musik hinweg schlagen. Die kosmischen Konzepte samt prätentiös anmutenden Album- und Songtiteln mögen irritieren, doch die Band beseitigt schnell alle Zweifel an ihrer Berechtigung. Das haben Hutchings und Co. sicher auch von einem gewissen Herrn aus Alabama gelernt: Wenn die entsprechende Substanz dahintersteckt, kann man sich sogar als Alien vom Saturn bezeichnen und bewundert statt belächelt in die Geschichte eingehen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Summon the fire
  • Blood of the past (feat. Kate Tempest)
  • Unity

Tracklist

  1. Because the end is really the beginning
  2. Birth of creation
  3. Summon the fire
  4. Blood of the past (feat. Kate Tempest)
  5. Super Zodiac
  6. Astral flying
  7. Timewave zero
  8. Unity
  9. The universe wakes up
Gesamtspielzeit: 45:46 min

Im Forum kommentieren

Deaf

2022-09-28 21:37:13

Ja ok, nächstes Jahr bisher auch nur Hamburg geplant, Schweiz leider ebenso nicht. Aber kann ja noch werden.

smrr

2022-09-28 21:30:37

Berlin, Erlangen, Leipzig, Hannover, Mannheim...
https://www.thecometiscoming.co.uk/tour/

NRW not amused.

Deaf

2022-09-28 21:28:39

Ja, die gehen live schon ziemlich ab, durfte die 2019 mal auf einem Festival sehen. Spielen im November 5x in Deutschland, kannst dich also freuen.

smrr

2022-09-27 15:55:33

Fängt super stark an, verliert sich dann aber bisschen.

Hätte Bock, die mal live zu sehen!

Fette Sau Alter

2022-09-26 12:47:08

Neues Album seit Freitag draußen.

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