
Moor Mother - Analog fluids of sonic black holes
Don Giovanni / H'ArtVÖ: 08.11.2019
Frisst alles
Avantgarde, Abstract, Outsider, Experimental. Man kann dem HipHop der Camae Ayewa so manches passende Präfix voran stellen, es bleibt dabei immer die Frage, ob es sich überhaupt noch um HipHop im engeren Sinne handelt. Die Dame aus Philadelphia, Projektname Moor Mother, ist eine Freundin der weiten Grenzen und Genre-Sprünge. Damit zieht sie ins Feld, ein totalitäres Gesellschaftssystem zu beschreiben, dessen Druck so groß ist, dass es alle Gegenströmungen wie ein schwarzes Loch schluckt. Und so ist "Analog fluids of sonic black holes" vor allem ungemütlich, kalt und kantig. Der "Repeater" schlängelt sich von kakophonischen Bläser-Verstümmelungen begleitet durch nasse Hinterhöfe, beschienen von einem metallischen Mond. Dazu Spoken-Word-Mantras, die gesunde Mitte und Rationalität nur noch in Bruchstücken aufweisen.
Auch das delirierende "Don't die", langezogen, Spiralen stimmlicher Versehrtheit auswerfend, hat einen ungesunden Push, drängt auf wackeligen Füßen voran, spastische Heulkrämpfe als Resultat. Und dann kommt er doch, der HipHop, die relativ geradlinigen Raps. "After images" pumpt auf ungesund wuchtigem Beat daher, die Worte prasseln gewaltig nieder, aggressiv aber eben auch lebendig. Der Groove kommt kräftig, aber abweisend daher. Hier zeigt sich, dass "Analog fluids of sonic black holes" durchaus mitreißende Momente fabriziert, diese aber über die kalte Schulter blicken. "Engineered uncertainty" drückt und dehnt schadhafte Sounds zu enervierenden Noise-Schleifen und "Master's clock" verwendet seine Raps zu einem apokalyptischen Countdown, der fast wie die pervertierte Variante eines Abzählreimes wirkt. Dabei selbstverständlich: kalte Soundbrocken und stotternde Percussion.
Und trotzdem gibt es diese tanzaffinen Zwischen-Statements wie "Black flight", welches unterstützt von Saul Williams den Girlgroup-mäßigen Gang-Shout-Zucker mit einer Handvoll knirschender Glasscherben anreichert. Das dumpfe Pumpen, die in ein geschlechtliches Neutrum manövrierten Vocals, dies alles ist nicht dazu angetan, sentimentale Gefühle aufkommen zu lassen. Doch kickt Moon Mothers Drittwerk oft genug gewaltig. "Sonic black holes" dreht ein Soul-Sample durch den hoch maschinsierten Fleischwolf, während bei "Shadowgrams" Beats versuchen, Fuß zu fassen und einem jazzigen Saxofon der kalte Schweiß am Blech runter läuft. Dazu immer wieder zwischen hypnotisiert und hysterisch changierender Sprachgesang, der oft genug das Odeur eines manischen Selbstgespräches mit sich trägt.
Besonders zugespitzt lässt sich dies bei "Private silence" beobachten, welches dumpfe Kanonenschläge absondert und alarmierende Soundsplitter ausspuckt. An solchen Stellen zeigt sich, wie konsequent Ayewa die Unwirtlichkeit abbildet. Keine Ritze, durch die Licht dringen würde, ohne Zugeständnisse huldigt die Musikerin, die auch Kunst-Installationen und Schriftstellerei in ihr Schaffen eingliedert, einer dunklen Energie, die oftmals kreuz und quer Schlitten auf den Nervenbahnen fährt – aber eben auch nicht selten gezielt auf den verschmutzten Dancefloor hinarbeitet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Don't die
- After images
- Black flight (feat. Saul Williams)
Tracklist
- Repeater
- Don't die
- After images
- Engineered uncertainty
- Master's clock
- Black flight (feat. Saul Williams)
- The myth hold weight
- Sonic black holes
- LA92
- Shadowgrams
- Private silence (feat. Reef The Lost Cauze)
- Cold case
- Passing of time
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saihttam
2020-01-16 17:31:49
Das hat ja auch nicht so viel mit klassischem Hip-Hop zu tun, auch wenn es natürlich davon beeinflusst ist. Interessante Musik in jedem Fall. Sehr eindringlich!
Randwer
2019-12-29 21:30:04
Ich werde unbedingt mal reinhören. Auch wenn Hiphop für Gewöhnlich Nichts für mich ist. Aber die Rezi liest sich doch interessant und die Referenzen wecken Neugierde in mir.
Armin
2019-12-19 21:46:32- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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