Lung Dart - Slouching towards Meridian

Prah / Rough Trade
VÖ: 29.11.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 2/10
2/10

Erinnerungen an die Zukunft

Seit 20 Jahren gehört er zu den absoluten Must-Sees der britischen Hauptstadt: Der Millennium-Dome, errichtet, um das neue Jahrtausend zu begrüßen, einen diffusen Zukunfts-Optimismus ausstrahlend. Wahrscheinlich erging es Tim Clay und James Rapson wie so ziemlich jedem Schüler zu dieser Zeit in England, eine Klassenfahrt zu diesem Bauwerk stand auf dem Plan. Aber anstatt die geduckte, dennoch mächtige Kuppel des Millennium-Domes ausgiebig zu bestaunen, fanden die beiden Jungs woanders ihren Wow-Moment, nämlich in der Entspannungszone des Domes, welche Clay und Rapson zum ersten Mal in ihrem Leben mit Ambient-Musik in Kontakt brachte. Und dies hat eindeutig Eindruck hinterlassen, zwanzig Jahre später ist aus den ehemaligen Schul-Buddies eines der talentiertesten Experimental-Duos geworden und Ambient steht dominant auf dem Speiseplan. Dass Lung Dart ihr zweites Album "Slouching towards Meridian" dem inzwischen in die Jahre gekommenen Dome widmen, passt da nur zu gut.

Neu dabei ist, dass Lung Dart reichhaltig von einem zwar verwischten aber doch einprägsamen Gesang Gebrauch machen. Da, wo sonst die Dekonstruktion von Song-Strukturen stand, findet man nun melodische, eingängige Vocal-Parts, die gutmütig und weich dahingleiten. Im klanglich zu einem Vakkum aufgeblasenen "How?" bilden die Melodien einen im zartem Auf und Ab variierenden Strom des Unterbewussten. Man mag sich an so etwas gerne anlehnen, weniger im Gefühl einer konkreten Nostalgie, eher mit einem Bewusstsein für das zu Erwartende: Wenn man sich im Bett umdreht, erwartet einen auch in der neuen Position ein weicher Untergrund. An der Grenze zur einsamen Melancholie bewegt sich hingegen das Saxofon in "CH edit II", welches sich durch einen diffusen Nebel schleicht. Auch hier hat man das Gefühl, man war schon mal an dieser verregneten Straßenecke, ohne dass man eine konkrete Handlung rekonstruieren könnte.

Sanftmütig, zutraulich geben sich die Ambient-Landschaften auf "Slouching towards meridian", das Klavier in "Outline for morning" besitzt zwar ein schweres Herz, drückt die Tasten selbstvergessen und ausharrend mit einiger Kraft, doch im Zusammenspiel mit glitzernden Synthies spendiert es dem Hörer dennoch eine tröstliche Umarmung. Dass aber nicht auf ein Sommerblumenwiesen-Idyll hingerarbeitet wird, zeigen einige kompositorische Kniffe, die dieser Platte einen tiefen Grund und eine gewisse Wandelbarkeit verschaffen.

Das "AV duet" imitiert gefühlt eines festliches Weihnachtskonzert mit Orgel, nur wirken deren Töne sonderbar abgestumpft und dumpf, fast als wären die Tonbereiche, die für ein seliges Gefühl sorgen könnten, wegamputiert. Und dies sind dann auch die Momente, die zeigen, dass Lung Dart nicht mit einer verklärenden Nostalgie arbeiten, sondern mit ambivalenter Vergangenheits-Ahnung. Die weichen Synthie-Schwingen von "A thousand people floating" mögen weit tragen aber wieder gibt es in Form des nüchternen, auch im Chor defensiv bleibenden Gesangs einen Dämpfer, eine Relativierung. Und auch wenn das Londoner Duo ein Herz für die Zukunftsbilder der Jahrtausendwende besitzt, diese in Spuren wieder aufleben lassen, sind sie dennoch derart ehrlich, dass sie das, was darauf folgen sollte, als kritischen Bruch mit einflechten.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • How?
  • AV duet
  • A thousand people floating

Tracklist

  1. CH edit II
  2. Outline for morning
  3. How?
  4. Gazing
  5. AV duet
  6. 6am
  7. Maintaining a healthy gut
  8. Before the crash
  9. Connecting nothing with nothing
  10. Papez
  11. A thousand people floating
  12. Tenebris
Gesamtspielzeit: 35:38 min

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Armin

2019-12-19 21:46:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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