Tuvaband - I entered the void

Tuvaband / Brilliance / Rough Trade
VÖ: 29.11.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Immer rein in die gute Stube

Wo's leer ist, wird's zumindest nicht eng. Aber was haben die Berliner nur für ein Problem, in dieser übervollen Stadt ein ausgereiftes Sozialleben zu entwickeln? Da nennt sich die eine Band gleich ganz plakativ Isolation Berlin und die 2017 zugezogene Tuva Hellum Marschhäuser schreibt – gerade erst in der Bundeshauptstadt angekommen – für ihre Tuvaband ein Album mit dem Titel "I entered the void". Die Norwegerin liefert eine dreampoppige bis postrockige Ode an die Joy of missing out ("JOMO"), die langsam aber sicher die Fear of missing out ("FOMO") als Coolness-Standard ablöst, weil immer alles überall saubunt und arschlaut ist und weil man echt mal auch Zeit für sich selbst braucht.

Das Album startet mit dem Titeltrack und geht direkt in medias res, hier: ins große Nichts. Marschhäuser singt davon, wie es ist, wenn man sich zurückzieht und langsam aber sicher von den Gefühlen und Meinungen anderer emanzipiert. Klagende Synthies bereiten ihr dabei ebenso den Weg wie die knarzige E-Gitarre, die über das ganze Album hinweg als Antreiber für den hallgetränkten Gesang agiert. Es ist fast ein Wunder, dass es ihr trotz des aufgeladenen Settings gelingt, dabei eine Melodie unterzubringen, die hängenbleibt wie sonst nur unerwünschte Ohrwürmer. Das gilt genauso für "Young adults and old grown ups", welches von Missverständnissen zwischen Generationen erzählt, schließlich aber ein ungeahntes Licht aufdeckt. "He said me too" hingegen sucht gezielt die Wut. Das Stück berichtet von den Gefühlen Unterdrückter, die sich organisieren und lauthals ihr Recht einfordern. Auch in diesem Rahmen bleibt die Musik regelrecht passiv-aggressiv gedämpft und marschiert zwar langsam, aber sicher.

"Ambiguous flies" hingegen entwickelt schnell richtig Feuer. Der Track versucht sich irgendwo zwischen Leidenschaft und Wahn einzupendeln. Tobias Pfeil an der Gitarre macht hier abermals einen großartigen Job, während die Sängerin manisch voranprescht, um dann plötzlich einen rattenfängerischen "Oho-oho-ho"-Chor auszupacken. Das hochenergetische Stück ist mit Sicherheit das größte Highlight auf "I entered the void". Nicht aber das einzige: Auch das düstere "Poisoned" verfügt über eine unsagbare Anziehungskraft. Wenn Marschhäuser die Ansage "You are basically screwed" erhält, gerät sie ins Hadern, verliert jedoch nicht den Mut und formuliert eine Durchhalteparole: "This is not the end / This is not how it's gonna end", singt sie, während die Gitarre ätherisch wirbelt und die Synthies sich durch den Song schlängeln wie der Styx durch den Hades.

Apropos griechische Begriffe: Eine Katharsis steht am Ende von "I entered the void" keineswegs. "I don't feel much wiser" zeugt davon und liefert als vorletzter Titel dann noch mal eine tolle Melodie, die sich immer wieder gegenüber den instrumentalen Speerspitzen von Synthie und Saiten behaupten muss. Ganz am Ende ist gar nichts mehr übrig außer der Leere eben: "The void" heißt der instrumentale Closer dann bloß noch. In der Zwischenzeit hat man sich es hier allerdings richtig gemütlich gemacht und möchte so gar nicht mehr raus in die echte Welt. Will noch jemand dazukommen? Immer rein in die gute Stube!

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I entered the void
  • Ambiguous flies
  • Poisoned

Tracklist

  1. I entered the void
  2. He said me too
  3. Genuine
  4. Ambiguous flies
  5. Young adults and old grown ups
  6. Submerged
  7. Arthur
  8. Poisoned
  9. I don't feel much wiser
  10. The void
Gesamtspielzeit: 40:58 min

Im Forum kommentieren

Vive

2019-12-07 21:09:40

Oh ja! Ex:re hab ich auch positiv mitbekommen, war etwas weniger gothic, aber der experimentelle Aspekt ist eine Parallele

Nasentasse

2019-12-07 18:58:11

Sehr schön! Vor 'nem Jahr zu dieser Zeit kam auch gerade das Ex:Re Album raus ..erinnert mich atmosphärisch irgendwie daran und passt ebenso zur Jahresendstimmung.

Vive

2019-12-03 15:21:54

das video zum titeltrack und der musikalische inhalt sind ganz schön vielversprechend. eigen und emotional. muss ich mal näher reinhören

Alice

2019-12-02 16:07:00

Die ersten Tracks klingen vielversprechend!

Armin

2019-12-01 14:49:13- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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