Ray Alder - What the water wants

InsideOut / Sony
VÖ: 18.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Pausenknüller

Genau genommen ist diese Platte eine Überraschung, ohne dass ihre Veröffentlichung wirklich überrascht. Oder so ähnlich. Na klar – im Vorfeld gab es wenig bis keine Informationen darüber, dass der Frontmann von Fates Warning tatsächlich sein erstes Soloalbum produziert hat. Aber natürlich waren die Bedingungen für einen musikalischen Alleingang selten besser. Denn im Umfeld von Fates Warning stand zuletzt viel im Zeichen des früheren Frontmanns John Arch, sei es die gefeierte Kurzzeit-Reunion für ein paar Festival-Shows – mit Alders ausdrücklicher Zustimmung, nur um das noch einmal festzuhalten – oder eben das bockstarke Album "Winter ethereal" aus dem Frühjahr 2019, das Arch mit Fates-Warning-Chef Jim Matheos einspielte. Also schnappte sich der Sänger, der in seiner Diskografie schon so viele Klassiker wie "A pleasant shade of gray" oder "Parallels" vorweisen kann, ein paar Kumpels – und schickte ein paar Soundfiles hin und her, wo früher einfach gejammt wurde. Moderne Zeiten.

Was direkt dazu führt, einmal mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen. Denn nein, "What the water wants" ist weder Egotrip eines gelangweilten Sängers noch zusammengeschnippeltes Stückwerk, wie die Produktionsweise es vielleicht suggeriert. Ganz im Gegenteil. Denn "Lost" beginnt ruhig, bestimmt von Alders Timbre, bis ein mächtiger Refrain seine Schwingen ausbreitet. Schon mal stark, doch so richtig große Klasse ist das folgende "Crown of thorns". Wo fängt man an? Bei diesem hypnotischen Groove, der genau genommen von einer einzigen Bass-Figur getragen wird? Bei dieser wahnsinnigen Magie, die Alder wahrlich nicht zum letzten Mal auf dieser Platte ausstrahlt? Oder beim erneut tollen Refrain, der sich so einfach, so kitschlos dramatisch ins Langzeitgedächtnis arbeitet? Auf jeden Fall ein Song, den auch die Kollegen von Fates Warning mit Kusshand genommen hätten.

Nun könnte man angesichts der ersten Stücke annehmen, "What the water wants" sei ein ruhiges, introvertiertes Vokalisten-Album geworden. Und Alder tut anfangs auch herzlich wenig gegen diesen Eindruck. Bis der mexikanischstämmige Frontmann, der mittlerweile nach Spanien ausgewandert ist, bei "Shine" einmal mehr ein Monument eines Refrains aus dem Boden stampft. Denn dass der 52-Jährige aber auch anders kann, zeigt der treibende Rocker "A beautiful lie", der geradezu kontrapunktisch die wohlige Komfortzone zerreißt, in der sich Alder schon breitzumachen drohte. Es ist dann wohl kein Zufall, dass die folgende Powerballade "The road" nun gerade eben einer der spannendsten Vertreter der sanften Seite Alders ist, bis "Wait" mit seinem simplen, aber zwischen Pomp und Krach perfekt platzierten Riff endgültig die krachende Schlussphase einläutet.

Denn wo die erste Hälfte auf sanfte Teppiche setzt, mit Atmosphäre dafür sorgt, dass man zwangsläufig in das Album eintauchen muss, gibt "What water wanted" den melancholischen Rüpel, lässt einem donnernden Riff eine im Stil von David Gilmour leise weinende Gitarre folgen, bis "The killing floor" in seiner Düsternis wohl am ehesten an Fates Warning erinnert. Dennoch gelingt es Alder, sich sowohl von seinem Hauptarbeitgeber als auch von seiner früheren Nebenbetätigung bei Redemption so weit zu lösen, dass "What the water wants" tatsächlich viel mehr ist als ein Album mit dem Sänger von Fates Warning. Und das ist wohl der wichtigste Unterschied, wenn man dann doch einmal "Winter ethereal" als Vergleich heranzieht. Denn während Arch / Matheos ganz bewusst mit der Emotionalität spielen, die John Arch als Sänger auszeichnet, lässt Ray Alder sein Ausnahmekönnen für sich stehen. Wohl dem, der als Überbrückung einer Pause solche Platten produzieren kann.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Crown of thorns
  • A beautiful lie
  • The killing floor

Tracklist

  1. Lost
  2. Crown of thorns
  3. Some days
  4. Shine
  5. Under dark skies
  6. A beautiful lie
  7. The road
  8. Wait
  9. What water wanted
  10. The killing floor
Gesamtspielzeit: 46:00 min

Im Forum kommentieren

Watchful_Eye

2019-12-07 10:58:27

Eine 8/10 könnte man herauslesen, aber 9/10 lesen sich auf dieser Seite schon noch anders. Plattentests-9er sind nicht wie zB RockHardForum-9er. Erst Recht nicht bei Metal. Es gibt in der 20-jährigen Geschichte von Plattentests nur wenige 10/10, und keine einzige 10/10 für ein Metalalbum.

Das war die letzte 9/10 von Bellmann, wenn ich das richtig überblicke, und die klingt schon noch eine ganze Ecke euphorischer: https://www.plattentests.de/rezi.php?show=15403

Das ärgerlichste an der Rezension ist, dass die Chance verpasst wurde, "Derbe Respect, Alder" (https://www.plattentests.de/rezi.php?show=2154) als Überschrift zu wählen. ;-)

tomdi

2019-12-07 10:14:23

Tolle Scheibe von einem der ausdrucksstärksten und über die Jahre am besten gereiftesten Sänger des Genres. Viele Anklänge an FW sind vorhanden, doch insgesamt überzeugt WTWW an allen Fronten: klasse Songs, guter Sound und nicht zuletzt ein schönes Coverartwork, das der LP-Version besser zu Gesicht steht.

Bay

2019-12-06 22:52:33

Die 7/10 entspricht ja wohl kaum der euphorischen Rezension des Markus Bellmann, die ich bei den Lobeshymnen eher im 9er Bereich verorten würde. Es sei denn, die CD wurde noch anderen Rezensenten zugeführt, womit sich natürlich auch der Wortlaut "Unsere Bewertung" und ein recht dramatisches Downgrading der Durchschnittsnote erklären würde.

Armin

2019-12-01 14:47:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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