Frail Body - A brief memoriam
Deathwish / MembranVÖ: 01.11.2019
Aufgeben für Anfänger
"It seems that I'm slowly at peace with leaving / It seems that I'm slowly at peace with giving up." Resignation, beschrieben in zwei Versen, die so scharf runtergehen, als hätte man versehentlich zum Fläschchen Isopropanol gegriffen. Die einen ganzen Song tragen und dort auch noch zu allem Überfluss vor Fieldrecordings von fröhlich diskutierenden Leuten geworfen werden. So geht es im Song "At peace" zu. 95 Sekunden vertonter Tristesse, eineinhalb Minuten ausufernder Projektionsfläche für wirklich alles, was jeden Tag Energie und Mut raubt. Ob man jetzt nur seine negativen Emotionen dort ablädt, oder sich hemmunglos der völligen Trostlosigkeit von "At peace" hingibt: eine musikalische Müllhalde, im positivsten aller Sinne.
Aufgenommen schon 2017, von Frail Body, einer Band, die man zu den äußerst positiven Überraschungen zählen darf. Das sah man jedenfalls im Hause Deathwish so, weshalb man das Trio aus Illinois kurzerhand ins Programm genommen hat und jetzt das erste Album der Band – das streng genommen drei Songs aus dem Jahr 2017 enthält, aber sei's drum – veröffentlicht. Und wie schon auf dem beschriebenen "At peace" sind Frail Body niedergeschlagen. Dass die Platte dann auch "A brief memoriam" heißt, erscheint da nur konsequent. Dass es mit "Your death makes me wish heaven was real" einen Songtitel gibt, der so entwaffnend und zugleich brutal ist, zieht einem aber schon ein Stück weit den Boden unter den Füßen weg. "A brief memoriam", das ist nicht nur ein bisschen schlechte Laune und dunkle Schminke. Hier wird getrauert und verabschiedet, hier wird gelitten, ohne jede Form von Schutz.
Dafür aber mit jeder Menge ausgezeichneter Songs. "Pastel" wuselt noch zehn Sekunden im Studio herum, ehe sich das Stück vor Birds In Row verneigt und dabei das Kunststück vollbringt, qualitativ in ähnlichen Regionen zu spielen. Das heisere Geschrei, die halsbrecherische Geschwindigkeit, das zügellose Tempo, die punktgenau gesetzten Melodien, die trotz morbider Zeilen wie "You're not breathing / With your blank stare" zum Ende des Song fast hoffnungsvoll klingen dürfen. Für einen Moment. Bevor eben "Your death makes me wish heaven was real" übernimmt und für die nächsten vier Minuten und 23 Sekunden der Baum, die Luft, der komplette Cortex brennt. "I'll hold your hand while you die / delineate through your pale eyes." Frail Body überschreiten sehenden Auges die Schmerzgrenzen.
Mit einem Hardcore, der voller Emotion steckt, auch abseits der Lyrics. Der auf den ersten Blick anschmiegsam wie ein Kantholz daherkommt, aber sowohl großzügig ausstaffiert ist, als auch keine Scheu vor eingängigen Melodien aufweist und entsprechend viel zu entdecken bietet. Und mit einem gewissen Sinn für Sequenzierung, wie "Traditions in verses" eindrücklich zeigt. Da wird zum Übergang in die älteren Stücke erstmal Tempo rausgenommen, das "Cold new home" dann langsam wieder aufnimmt. Da darf das ausladend instrumentierte "Old friends" den Vorhang schließen. Und obwohl man dem Klangbild entnehmen kann, dass diese sieben Songs nicht in einem Rutsch aufgenommen wurden, bricht hier nichts, ergibt sich ein stimmiges Ganzes.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Pastel
- Your death makes me wish heaven was real
- Traditions in verses
- At peace
Tracklist
- Pastel
- Your death makes me wish heaven was real
- Aperture
- Traditions in verses
- Cold new home
- At peace
- Old friends
Im Forum kommentieren
Affengitarre
2021-05-09 22:31:11
Wirklich schönes Ding. Erinnert mich mit seiner Mischung aus Brutalität und diesen melodischeren, ruhigeren Momenten auch an die frühen Envy.
Dumbsick
2020-12-18 08:49:05
Bin auch mal gespannt, wann da was neues kommt. definitiv eine schöne Überraschung im letzten jahr
Affengitarre
2020-12-17 21:54:19
Tolles Ding, mag auch diesen angenehmen Emoeinschlag, welcher das Chaos immer wieder super auflockert.
MasterOfDisaster69
2020-01-17 12:06:39
So ganz werde ich nicht warm mit dem Ganzen, obwohl das schon ordentliches Geknueppel und handwerklich auf hohem qualitativen Niveau ist. Allerdings geht mir das Gekreische auch ganz schön auf den Sack. Nicht das ich grundsätzlich was gegen diese Ausdrucksform habe, aber hier hört sich das eher wie Geklaeffe an, irgendwie ein wenig “schwach auf der Brust”, labil, verletzt, aber das kann auch wieder Leuten gefallen. Na ja, bei mir für eine 8/10 aber eher nicht.
Aber dennoch Danke.
7/10
kiste
2019-11-26 10:04:29
Ich habe mich nun nach einigen Durchläufen mit den Texten beschäftigt. Es ist schon stellenweise sehr schwer, dem ganzen zu Folgen, da man kaum etwas versteht. Dies schmälerte etwas den bisher sehr guten Gesamteindruck. Dennoch ein Brett und trotz des hohen Krachfaktors mit erstaunlich differenzierten Sound!
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