Little Scream - Speed queen
Merge / CargoVÖ: 25.10.2019
Die softe Revolution
Wann ist Protest am wirkungsvollsten? Wenn man ihn seinen Verursachern mit erhobenen Fäusten entgegenschreit und den Zorn über die erlittene Ungerechtigkeit im Gesicht ablesbar macht? Oder vielleicht sogar die Wut in körperlich erfahrbaren Momenten zum Ausbruch bringt? Sicher mögen das Mittel und Wege sein, die den einen oder anderen zum Nachdenken anregen könnten, Laurel Sprengelmeyer, die als Little Scream ihr mittlerweile drittes Album veröffentlicht, wählt hingegen einen gänzlich anderen Weg.
"Speed queen" ist Protest in watteweicher, und gerade dadurch eindringlicher Form. Wie bereits auf den beiden Vorgängeralben zeigt die Künstlerin, wie sich softer Pop mit zahlreichen Hilfestellern – unter ihnen der hier sehr geschätzte Richard Reed Parry – aufregend und entspannt zugleich gestalten lässt. Schon die erste Single "Dear leader" erzeugt aufs erste Ohr diesen wärmenden Moment, den viele artverwandte Künstlerinnen wohl eher als Höhepunkt ihres jeweiligen Albums irgendwo in die Mitte gestellt hätten. Folkig, leicht und luftig grüßt eine Gitarre und leitet Sprengelmeyers Worte zur Lage der Nation durch aufreizend ruhige Fahrwasser. Dass nicht jeder an Bord dieser Fahrt sein sollte, liegt auf der Hand, denn wer mit diesem "Leader" gemeint sein soll, und dass sie ihm nicht nur die Pest an den Hals wünscht, lässt sich aus den hervorragenden Lyrics leicht ablesen: "And when you go out looking for an ark to get in / You will ask your god / But he'll be busy getting risen."
Fast immer mit einem Hauch im Abgang ertönen ihre Worte bewusst brav, dennoch treffen ihre messerscharfen Beobachtungen mitten ins Herz. Der Titelsong "Speed queen" flirtet mit Dream-Pop und lichtdurchflutetem Tropicalia, berichtet aber dennoch von der Tristesse auf US-amerikanischen Straßen, von finanzieller Ungerechtigkeit und von den alltäglichen Problemen, die die oberen Zehntausend so hinreißend weglächeln können. In "Privileged child" tanzt sie mit Saxophon zu Shufflebeats durch die Großstadt und blickt mit verzauberndem Sarkasmus auf die doch so armen, reichen Kinder der High Society.
Jeder der zehn Songs schiebt den Fokus auf andere, zumeist unbequeme Wirklichkeiten, die der Wahl-Kanadierin mit Blick auf ihre amerikanischen Nachbarn erwähnenswert scheinen. Während "One lost time" hier musikalisch wie textlich noch verschlüsselt wirkt, ist "Switchblade" offenherziger, die Kraft einer energischen Courney Barnett etwa fehlt allerdings. Ohne instrumentale Wucht, dafür aber eben mit raffiniert arrangiertem Popgestus bringt sie ihren Zuhörern einen Blick auf ein zerrüttetes, sonderbares Amerika wieder. Protestsongs ja, aber eben mit Wattebäuschchen scharf wie Rasierklingen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Dear leader
- Speed queen
- Privileged child
Tracklist
- Dear leader
- One lost time
- Switchblade
- Disco ball
- Still life
- Forces of spring
- No more saturday night
- Speed queen
- Don't wait for it
- Privileged child
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Kojiro
2019-11-17 20:37:46
Wurde aber auch Zeit für ne Kritik ;-) Mag ich, das Album. Flacht ab Hälfte zwei im Vergleich zu den ersten Songs etwas ab, aber definitiv ein ordentliches Album. Hab´s mir vorbestellt...
Armin
2019-11-14 21:23:41- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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