Carla Dal Forno - Look up sharp

Kallista / Cargo
VÖ: 25.10.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nebel, Regen, Hass

Die Australierin Carla Dal Forno scheint durch London zu spazieren, auf dem Weg zur S-Bahn-Station. Der Regen hat den Asphalt glasiert, zwischen strengen Häuserfronten steht wie nasse Watte der Nebel. Es ist Zeit, die Gedanken schweifen zu lassen, eine zurückliegende Beziehung, sie wird ihn heute Abend wahrscheinlich wieder sehen. Das Wetter passt, Melancholie, versöhnliche Nostalgie, Bass und Schlagzeug bereiten mit gemächlichen Schritten dafür den Boden. Auch die Synthies klingen matt nach Wegdriften. Doch nicht mit Dal Forno, ihr steht der Sinn nach gerechtem Zorn, nach Gehässigkeit vielleicht sogar. Mitten in das irgendwie doch gemütliche, musikalische Schmuddelwetter sendet sie eine garstige Botschaft: "So if I think about the time we spend together / I'm happy that you're still the same / And I am so much better." Dies ist nicht die einzige Irritation, die Dal Fornos zweites Album "Look up sharp" auslöst. Dieser Dream-Pop wiegt sich oft in Sicherheit, vermittelt eine distanzierte Kühle und geht dann, meistens über den Text, ans Eingemachte.

Schon der Opener "No trace" vermittelt einen fein ausbalancierten Widerspruch. Von einem unternehmungslustigen, mechanischen Bass angetrieben, gleites das Stück kühl und geradlininig durch die Nacht, Gefühle erscheinen nur als blasser Abglanz auf metallischen Oberflächen, die Synthies modellieren nur vage Melodiewolken. Doch dann wieder Dal Forno: "I see you later on / It's always the same / My body pressed to yours / Like a cane." Intimität in der Kühlkammer, Anonymität als Schutzmechanismus. Vieles wird auf "Look up sharp" allerdings auch ohne Worte erledigt. "Hype sleep" etabliert mit knorriger Western-Gitarre, welche schwer ihren Gedanken nachhängt, und abgerundeten Harmonium-Klängen eine trostlose, aber friedliche Grundstimmung, die letzten Sonnenstrahlen über einem Autofriedhof. "Leaving for Japan" dagegen lässt den Synthie eine Mundharmonika imitieren, die lang gezogenen Töne klagen unterschwellig, lösen wehmütige Gedanken aus, eine vergebliche Liebschaft vielleicht wieder.

Doch Dal Forno hat einen schützenden Panzer aus Nüchternheit, der hart an der Grenze zum Zynismus steht. Da mag der Groove von "I'm conscious" noch so verführerisch träge sein, der Refrain noch so fragil in melodische Wonnezustände überführen, der Kontakt zum anderen, inklusive Sex und unglücklichen Verkettungen, erwächst aus Langeweile und Verdruss. Und auch wenn die Gesangsstimme sphärisch und lichtdurchflutet daherkommt, heißt es dann doch wieder "Don't follow me". Überhaupt ist die zweite Albumhälfte noch aufgelöster, zerfließt und pendelt vor sich hin. Dass ein Stück wie "Took a long time" mit einigen Synthie-Schlaglichtern und einer Rhythmik, die alle Zeit der Welt zu haben scheint, dennoch im Gedächtnis bleibt, ist erstaunlich. Dass Dal Forno mit dem abschließenden "Push on" den Hörer nicht nur in den Schlaf singt, sondern ihm als unberührbares Überwesen auch noch den letzten Willen aus dem Körper saugt, ist dann schon begeisternd.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • So much better
  • I'm conscious
  • Push on

Tracklist

  1. No trace
  2. Hype sleep
  3. So much better
  4. Leaving for Japan
  5. I'm conscious
  6. Don't follow me
  7. Heart of hearts
  8. Took a long time
  9. Creep out of bed
  10. Push on
Gesamtspielzeit: 41:20 min

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Armin

2019-11-14 21:22:18- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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