
Black Marble - Bigger than life
Sacred Bones / CargoVÖ: 25.10.2019
Kuscheln im Kühlschrank
Na, wäre das nichts? Ein Häuschen im Grünen mit weitläufigem Vorgarten, davor als Kontrast eine dunkel gewandete Maklerin, die enigmatische Handbewegungen macht? So gesehen 2016 auf dem Cover von "It's immaterial" – aber trotzdem nichts für Chris Stewart: Der Mann, der Black Marble seit dem Ausstieg von Ty Kube auf eigene Faust betreibt, ist nicht gerade der Sesshafteste. "Bigger than life" schrieb und produzierte er erstmals in Los Angeles, während der Zweitling noch in seiner Heimat Brooklyn entstanden war, und auch der Gepflogenheit, nach jedem Album das Label zu wechseln, ist Stewart treu geblieben. Eine Flüchtigkeit, die sich stets auch in seinen verhuschten, oft ungreifbaren Songs spiegelte: Kaum hatten diese es sich zwischen sonoren Tieftönern und analogen Gerätschaften bequem gemacht, drohten sie bereits in Schwaden aus Cold Wave und dunklem Früh-Elektro zu sublimieren. Und doch war das melancholische "Iron lung" nicht der einzige Klopfer längerfristigen, herzerwärmenden Wertes.
Bitter nötig, denn "Bigger than life" befasst sich vor allem mit Isolation inmitten urbaner Nicht-Idylle – ironischerweise etwa in den überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln, mit denen sich Stewart täglich auf den Weg zum Studio am anderen Ende der Stadt machte, um die latent verzweifelte Kuschelszene aus dem Artwork musikalisch nachzustellen. Mal mit präzisen Licks zu einer Kühlschrank-Grundierung, die auch dem sich unter Kopfhörern verschanzenden "Daily driver" gefallen könnte, mal mit zackig umgedeuteter Joy-Division-Brummeligkeit im die Saiten zwirbelnden Titelstück. Es gibt schließlich kaum etwas, das so pünktlich ist wie die dunkle U-Bahn der Seele, in deren Tunnel nur gelegentlich ermutigende Lichtblitze aufzucken. So zum Beispiel im funkelnden Hüpfer "One eye open", mit dem Stewart einem munteren Popsong vielleicht so nahe kommt wie nie zuvor. Fidele Sequenz und Strahlemann-Tupfer auf dem Synthie – schon dringen Black Marble zu einer Sonne vor, die zur Abwechslung nicht aus einer Neonröhre scheint.
Der gegen bewölkt tendierenden Stimmung von "Bigger than life" tun solche Augenblicke jedoch keinen allzu großen Abbruch. Zu wehmütig lasten verklärte Erinnerungen an bessere Zeiten auch auf vordergründig launigen Stücken wie "Feels", das bedrückt "I used to have a radio show / With not a lot of time though" sinniert, während der zeitgeistige Zug längst unter glockenhellen Keyboards abgefahren ist und dem Protagonisten nicht mehr als ein "I'm nothing to live up to / You know I wasn't all the time" bleibt. Wer möchte, kann solchen zusehends luftiger strukturierten Songs größere Beliebigkeit vorwerfen als noch der eisig klackernden, wie mit Raureif überzogenen Köstlichkeit "It's conditional" vom Vorgänger – wird aber spätestens dann versöhnt, wenn der "Grey eyeliner" in Sturzbächen rinnt, ein akzentuierter Bass einen störrischen Backbeat zerfurcht und "Private show" nicht von traurigen Cam-Darbietungen, sondern von der Einsamkeit im Post-Punk-Universum erzählt. Wie wäre es demnächst also mit einem Häuschen am Nordpol?
Highlights & Tracklist
Highlights
- One eye open
- Feels
- Grey eyeliner
- Private show
Tracklist
- Never tell
- One eye open
- Daily driver
- Feels
- The usual
- Grey eyeliner
- Bigger than life
- Private show
- Shoulder
- Hit show
- Call
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Armin
2019-11-14 21:21:17- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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