DJ Shadow - Our pathetic age

Caroline / Universal
VÖ: 15.11.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Alone, together

Zwei Herzen schlagen in Joshua Davis' Brust. Das erste pumpt im verborgenen Dunkeln schwarzes Blut durch die Soundadern, stenografiert mit abseitigen Klängen und mysteriösen Samples Botschaften aus einer anderen Welt. Das ist die Seite, mit der man Davis als DJ Shadow kennen und lieben gelernt hat. Sein anderes Ich strebt derweil nach Gesellschaft, will als Beatmaker für Rapper fungieren, geradliniger sein – vielleicht sogar Hits landen. Mit diesem Anspruch hatte er auf seinem Hyphy-Ausflug "The outsider" viele Fans gehörig verprellt. Dass jedoch ein "Nobody speak" vom vorigen Album "The mountain will fall" über diesen Ansatz gemeinsam mit Run The Jewels einen hervorragenden Brecher geliefert hat, ist unbestreitbar. Bis dato hat Davis immer stärker versucht, seine beiden Facetten auf Platte zu vereinen. Sein sechster Longplayer "Our pathetic age" wählt hingegen den gegenteiligen Ansatz. Es bemüht sich gar nicht, die entgegengesetzten Pole in Einklang zu bringen. Stattdessen ist es ein Doppelalbum im ganz wörtlichen Sinne: Man bekommt zwei völlig unterschiedliche Werke in einem Paket. So etwas gab es im Genre zuvor mit OutKasts "Speakerboxxx / The love below" oder "The powers that b" von Death Grips. Der Kalifornier lebt allerdings im Alleingang die eigene Schizophrenie aus.

Die erste Hälfte ist – bis auf die üblichen Samples – völlig instrumental gehalten. Im Vergleich zu den Vorgängern hat der Sound eine deutlich spacigere Note angenommen, die Drums hallen, die Effekte zischen. "Nature always wins" ist als Intro vergleichsweise untypisch, beginnt mit Dröhnen, endet mit einer Klapperschlange, die sich durch den Gehörgang windet. Das ist allerdings nichts gegen die Überraschung von "Firestorm", welches sich als opulentes Orchesterstück verblüffend gut in den Kosmos dieser alienartigen Tracks einfügt. Konventioneller, aber dennoch beeindruckend ist die Verwandlung von "Rosie" von der stampfenden Chaosraupe zum schönen Harmonieschmetterling oder die herrliche Intensivierung des passend betitelten "My lonely room" – gemeint ist wahrscheinlich der Weltraum. Irgendwie passt da sogar noch kurz vor Schluss eine Flöte ins Bild. DJ Shadow kann es also noch ganz alleine: eine Instrumentalplatte, bei der man keine Mitspieler vermisst.

Die drängen sich dafür auf der zweiten, deutlich geerdeteren Platte zuhauf. Nas, Pharaohe Monch, ein guter Teil des Wu-Tang Clans, Interpols Paul Banks und einige mehr. Und zumindest der Beginn sorgt für ordentlich Alarm. Als wolle "Drone warfare" seinen Titel in die Tat umsetzen, dröhnt und wummert es, während die Textur mehrfach die Form wechselt. "Rain on snow" präsentiert sich so zerrissen wie die Platte selbst, zwischen zart gesungenem Refrain und wütend geifernden Rap-Strophen. Im Gespann mit De La Soul reißt Davis in "Rocket fuel" derweil alles ab, was nicht niet- und nagelfest ist und übertrumpft damit sogar noch das Hitpotenzial des angesprochenen "Nobody speak". Zur Mitte hin wird der zweite Akt von "Our pathetic age" düsterer, sucht fast schon die Introspektion des ersten Teils in Tracks wie "JoJo's words". Kuriose Ausnahme ist die erneute Kollaboration mit Run The Jewels, die in all ihrer Lieblichkeit und den schief gepitchten Soundsamples quasi komplett nach DJ Kozes Werken klingt. Nicht das einzige Mal, dass Davis seinen Kernsound fremden Einflüssen unterordnet: Der die ganze Sache beschließende Titeltrack mit Future Islands' Samuel T. Herring (leider nicht als sein Rap-Alter-Ego!) klingt mit zunehmender Spielzeit mehr und mehr nach dessen Hauptband. Macht aber trotzdem viel Laune.

Für ein Album, das nicht nur bereits in seinem grundsätzlichen Konzept gespalten ist, sondern auch innerhalb seiner Hälften auf allerlei Hochzeiten tanzt, ist "Our pathetic age" unterm Strich dennoch erstaunlich schlüssig geworden. Ganz abgesehen davon, dass es viel Laune bereitet – womöglich hat sich Davis erst mittlerweile von der zeitweilig doch sehr negativen Rezeption der Alben nach "The private press" richtig erholt. Den Spaß hört man diesen im Garten der Musikstile so querbeet verstreuten 23 Stücken nämlich durchgehend an. Das ist womöglich auch Absicht: "Our pathetic age" soll zwar ein zeitkritisches Dokument sein, aber zugleich auch den Blick nach vorn richten und Optimismus versprühen. Ob das für die gesamte Menschheit reicht, ist stark zu bezweifeln. Für DJ Shadow und seine Musik sieht aktuell allerdings immerhin die Gegenwart ziemlich rosig aus.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Firestorm
  • Rosie
  • My lonely room
  • Rain on snow (feat. Inspectah Deck, Ghostface Killah & Raekwon)
  • Rocket fuel (feat. De La Soul)
  • Urgent, important, please read (feat. Rockwell Knuckles, Tef Poe & Daemon)

Tracklist

  • CD 1
    1. Nature always wins
    2. Slingblade
    3. Intersectionality
    4. Beauty, power, motion, life, work, chaos, law
    5. Juggernaut
    6. Firestorm
    7. Weightless
    8. Rosie
    9. If I died today
    10. My lonely room
    11. We are always alone
  • CD 2
    1. Drone warfare (feat. Nas & Pharaohe Monch)
    2. Rain on snow (feat. Inspectah Deck, Ghostface Killah & Raekwon)
    3. Rocket fuel (feat. De La Soul)
    4. C.O.N.F.O.R.M. (feat. Gift Of Gab, Lateef The Truth Speaker & Infamous Taz)
    5. Small colleges (Stay with me) (feat. Wiki & Paul Banks)
    6. JoJo's words (feat. Stro)
    7. Kings & queens (feat. Run The Jewels)
    8. Taxin' (feat. Dave East)
    9. Dark side of the heart (feat. Fantastic Negrito & Jumbo Is Dr.ama)
    10. I am not a robot (Interlude)
    11. Urgent, important, please read (feat. Rockwell Knuckles, Tef Poe & Daemon)
    12. Our pathetic age (feat. Samuel T. Herring)
Gesamtspielzeit: 81:50 min

Im Forum kommentieren

sizeofanocean

2020-03-15 16:54:43

auf der instrumentalen Seite ist mir zu viel krudes Zeug, da funktioniert eigentlich nur "Slingblade" richtig gut, dafür gibt es auf der Seite mit Gästen ein paar dicke Hits:

CONFORM
Dark Side of the Heart
Our Pathetic Age
Taxin

allesamt für Frühling und Sommer fest gebucht.

Otto Lenk

2019-11-15 11:54:20

Für mich mit ner 7 absolut unterbewertet. Im Augenblick 8 mit Tendenz nach oben.

The MACHINA of God

2019-11-15 01:16:16

SO ein Künstler, bei dem ich die rym-Wertungen echt nicht verstehe. 2.29 für "Outsider", 2.64 für "The less you know...", 2.74 für "The Mountain...".
Sind das alles solche "Entroducing"-Ultras oder was geht da ab?

The MACHINA of God

2019-11-15 01:13:59

Alter, 91 Minuten. :D

The MACHINA of God

2019-11-15 01:13:10

So. Erster Durchgang zu "GTA 5". Mal sehen. :D

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