TR/ST - The destroyer - 2
Roll Call / House Arrest / Al!veVÖ: 01.11.2019
Gut Ding will Teile haben
16 Songs auf einmal hielt Robert Alfons nur für schwer händelbar, als Masse erschienen sie dem Kanadier einfach zu überwältigend und vielleicht auch schlicht zu viel. Thematische Schwerpunkte kristallisierten sich heraus, zwei Puzzles entstanden parallel und so splittete er den jüngsten Release "The destroyer" unter seinem Künstlernamen TR/ST in zwei Teile. Mit "Desire", dem Verlangen, würde er "The destroyer - 1" in einem Wort summieren, gab Alfons in einem Interview zu Protokoll; das nun vorliegende, ergänzende Werk betitelte er mit "Shame", der Scham, der Schande. Noch ist kein Ton erklungen und schon befinden wir uns inmitten einer emotionalen Jonglage.
Wie so häufig bei TR/ST sind Alfons' Texte aufs erste Ohr schwer zu verorten. Konsequent zurückhaltend vorgetragen, rücken gerade in den opulenter ausgeschmückten Songs Intonation und Soundbild umso mehr in den Vordergrund. Überhaupt verschwinden auch in der begleitenden visuellen Umsetzung – in den Social-Media-Kanälen beispielsweise – klare Konturen. Verhuscht, vage, interpretierbare Farbflächen im Artwork. Der leicht unheilvollen Spannung von "Enduring chill" begegnet der elektronische Künstler mit fragilem Gesang und Pianotönen aus dem dunklen Nebenraum. Ein kurzer Break lässt Wärme aufblitzen, aber auch schnell wieder von der dringenden Atmosphäre schlucken, am Ende gar sanft zermalmen. 1:0 Kälte.
"The destroyer - 2" ist das introvertierste Werk seiner bisherigen Laufbahn, das emotional barste und neben dem Debüt auch das beste des Mannes aus Toronto. Prägendes Element sind keine stechenden Rave-Spitzen sondern (E-)Piano-Töne. Sie dominieren nicht nur das Instrumental "Shame", sondern bilden auch den Kern von "Cor". Die synthetischen Flächen hängen hier wie sinistre und bedrohliche Dark-Ambient-Wolken über dem Szenario, auch "Darling" läuft über herbstliche Moll-Töne und verknarzt synthetische Rhythmik. Das kann durchaus beklemmend wirken. Und so bringen die Drums und die saxophonexzerpt-ähnlichen Klänge in "Destroyer" melancholische Auflockerung. "If you fall, love will rise / Years of room, yearn to moon / You were right."
Perfume Genius und Yves Tumor scheinen TR/ST auf diesem Werk näher als beispielsweise Light Asylum. Alfons aber beherrscht die Balance. Nebst besagter Grund(un)ruhe beherbergt "The destroyer - 2" zwei brillante Stücke, die zu den ausgereiftesten Ergüssen seiner Diskographie gehören. Der pulsierende, aufkeimende Darkwave-Synthpop von "Iris" schimmert in elektronischem Glanz und leuchtet tapfer mit Schwarzlicht in dunkle Ecken des Untergrunds. "That moment in time when shame took hold was burdened to stay." Großartig. Vor fünf Jahren wäre "Iris" eine Art Electro-Banger gewesen, nun überträgt Alfons für eine äußerst gelungene Form der Weiterentwicklung die introvertierte Ausrichtung in seinen Trademark-Sound. Das zeichnet auch "Slow burn" aus. Der Abschlusstrack sendet Signale ins All und schiebt den Bass sorgfältig ins Geschehen. Ein wunderbarer Aufbau: Als industrielles Stechen schon das Ende prophezeit, holt Alfons den Track mit einem Ruck wieder in zelebrale Treiben. So klingt also die bessere Hälfte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Iris
- Slow burn
Tracklist
- Enduring chill
- Iris
- Darling
- Cor
- Destroyer
- Shame
- The stain
- Slow burn
Im Forum kommentieren
cargo
2019-11-08 16:50:05
Wenn man von beiden Platten die besten Songs genommen hätte, dann wärs ein gutes Album geworden. Gerade Teil 2 ist besonders im Mittelteil ziemlicher Käse. 7/10 sehe ich da überhaupt nicht, 5/10 maximal.
musie
2019-11-08 11:42:16
schöne Rezi. ich fand bisher eigentlich alles von TR/ST gut, aber die neuen Lieder spielen in einer anderen Liga. die Emotionen sind neu, dadurch auch viel weniger eindimensional als bisher.
Armin
2019-11-08 11:38:47- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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