Great Grandpa - Four of arrows

Big Scary Monsters / The Orchard / Al!ve
VÖ: 25.10.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Sommer im Schatten

Am Anfang war alles klar. Da brachten Great Grandpa aus Seattle ihr Debüt-Album "Plastic cough" raus, welches mit den Eckpunkten Grunge und Punk nach Erdbeereis, Frühling und Limonade schmeckte. Zombies und miese Typen konnten einem die Laune verhageln, dagegen wurden aber zuverlässig sonnig-struppelige Melodien vorgetragen. Zwei Jahre später ein anderes Bild. "Four of arrows" hat nicht mehr dieses Unbedarfte, zögert öfter, geht in sich. Hymnen produziert diese Band immer noch , aber erst, nachdem die Stücke reihenweise Gefahr laufen, unter Neurosen und Zwängen zusammenzubrechen. Frontfrau Alex Mennes trägt ihre Parts dann auch nicht mehr ungebrochen offensiv vor, die Stimme scheint an mancher Stelle ob Überhand nehmender Bedrängnis fast zu versagen.

Dies geschieht bereits im Opener: Zu herbstlichen Gitarren schlenkert der Song schwer nachdenklich vor sich hin: "Mistakes were made / And that's the heart of this pain." Wenn Mennes dann das sich aus alten Dingen speisende "Dark green water" gesanglich noch einmal intensiv aufgreift, setzt die Stimme einen Moment aus, und man bekommt Angst, dass dieses melodisch mächtige Stück zusammenbricht. Auch "Digger" kombiniert Widersprüchliches, ein zärtliches Dahingleiten in Harmonie und Melodie trifft auf ein ruppiges "That's why I hate you". Es sind solche Momente, die den hymnischen Furor einer Unsicherheit aussetzen, die dafür sorgt, dass ein Song kompositorisch mittendrin noch ein mal von vorne anfangen muss. Nach Stromgitarren-Gewitter tastet sich dann ein Klavier oder eine Akustik-Gitarre ohne Garantie auf Stabilität durch ein Trümmerfeld.

Doch gibt es eben auch das Versöhnliche und Anschmiegsame auf "Four of arrows". Der "English garden" ist ein mild plätschernder Gesundbrunnen, holt mühelos fließende Melodie-Lieblichkeiten hervor. "Mono no aware" schlendert versöhnlich vor sich hin, es wird Kontakt aufgenommen, "Do you feel the same way / That I do?". Auch "Bloom" motiviert sich mit geschmeidig dahinfließenden Akkorden, vertreibt den Trübsal mit Zuspruch: "Step into / Whatever you want to." Der lebendige Zwischenspurt wird jedoch bald wieder relativiert, strenge Luftzüge, Wolken, ein melancholiches Grau greifen bald wieder um sich. "Rosalie" schunkelt sich in ein nostalgisches Bereuen verpasster Gelegenheiten hinein, nur die stimmliche Intensivierung in der Bridge spendet einen Moment der Helligkeit. Und auch wenn "Treat jar" offensive Gitarren und eine unternehmungslustige Gesangs-Hook besitzt, liegt ein bedauernder Seufzer immer in Hörweite.

Dadurch, dass alle Bandmitglieder bei den Texten mitgewirkt haben, wirkt das ganze Album unheimlich vielschichtig in seinen Stimmungen. Es gibt definitiv die erhebenden Momente, doch die empathischen Umarmungen erfolgen nicht vorbehaltlos, ein Zusammenbruch ist immer möglich. So begeben sich auch die beiden letzten Songs in emotionale Schattengebiete. Im langsamen Vortrag von "Split up the kids" schälen sich zum langsamen Minutenschlag einer alten Standuhr Bilder von Scheidung, Tod und Zerwürfnissen heraus, mag sich die Akustikgitarre dabei noch so zutraulich geben. Und auch "Mostly here" quält sich eher durch einen zähen Rhythmus, "If life's a dream / Then I'm not sleeping", der Refrain kämpft sich mit ordentlich Feedback durch die Narkose-Hülle, kann sich aber eben nicht völlig frei strampeln. Dies ist dann auch der große Mehrwert dieses außerordentlichen Gitarren-Albums: Überweltliche Hymnik paart sich mit introspektiven Momenten des Verzagens, der Schönklang muss sich oft erst durch Widriges hindurch beißen, Songs scheinen vor dem Hörer teilweise erst durch Ausprobieren ihre Form anzunehmen, alles ein wenig improvisiert, dadurch aber in bezaubernder Weise lebendig.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dark green water
  • Digger
  • English garden
  • Split up the kids

Tracklist

  1. Dark green water
  2. Digger
  3. English garden
  4. Mono no aware
  5. Bloom
  6. Endling
  7. Rosalie
  8. Treat jar
  9. Human condition
  10. Split up the kids
  11. Mostly here
Gesamtspielzeit: 44:03 min

Im Forum kommentieren

MickHead

2024-10-24 19:17:23

Die ersten 2 neuen Songs seit dem Album!

"Doom" ( 10.24)

https://youtu.be/Meg6M3mAd7I?si=BE36HsOAGJomtYHM

"Kid" (07.24)

https://youtu.be/3jhFnhxUSjg?si=mY84KL9mYOQnB4vn

MasterOfDisaster69

2019-12-12 19:33:41

schoene Platte. Bei mir ganz oben der Song Human Condition, der Refrain macht suechtig.

https://www.youtube.com/watch?v=r3n9z3zeOns

rainy april day

2019-10-28 21:22:01

Mir gefällt es ganz gut. An so einem Herbstabend beim Lesen macht das Laune.

Kai

2019-10-24 17:48:21

Die Cranberries hatte ich auch permanent im Hinterkopf. Das hat mir Mono no Aware noch schlimmer gemacht.

Pepe

2019-10-24 17:24:51

Als vorletzte Referenz stehen da die Cranberries: Zu recht, denn die Stimme erinnert in den Refrains der Songs, die man bei Spotify findet, in den höheren Tonlagen an Dolores O'Riordan - nur in ganz schlecht. Ne, das gehört für mich aufgrund mehrerer aufgeführter Referenzen, die ich gut finde, leider in die Rubrik "Bands, die einem eigentlich gefallen müssten, es aber nicht tun."

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