Telefon Tel Aviv - Dreams are not enough

Ghostly International / Cargo
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Motorisiertes Aquarell

Bedauerlich, traurig, ein unfairer Schicksalsschlag: Einen Tag nach der Veröffentlichung des dritten Albums "Immolate yourself" von Telefon Tel Aviv im Jahr 2009, starb das Mitglied Charlie Cooper an einem unbeabsichtigten Cocktail aus Schmerzmitteln und Alkohol. Das war das Ende dieses Duos, der verbliebene John Eustis konnte und wollte dieses Southern-Gothic-Electronic-Baby nicht alleine schaukeln und legte Telefon Tel Aviv zu den Akten. Dass dies eine Schande war, fanden nicht nur die zahlreichen Hörer dieses Projekts, die die aufgequollene Düsternis in den synthetischen Wachträumen der Band aus Chicago zu schätzen wussten. Auch Eustis kam zu dem Schluss, dass in den letzten zehn Jahren Stücke aus seiner Feder geflossen sind, die eindeutig das Flair von Telefon Tel Aviv besitzen. Zeit für ein Reboot also, versammelt auf "Dreams are not enough" sind neun Stücke, die durchaus ein Eigenleben besitzen aber eben auch ein atmosphärisches Gesamtbild abgeben.

Wenn man es verkürzt ausdrücken will, ist diese Platte ein Zusammenprall von technischer Kantigkeit und menschlichen Ausdrucksformen. Weiche, flächige Synthies sowie sonderbar hohle, zum Zerfließen neigende Vokals treffen auf eine phasenweise unerbittliche Mechanik. So wirkt das eröffnende "I dream of it often" wie eine Demonstration automatisierter Abläufe kurz vor dem Durchbrennen. Wie ein Glücksrad rotieren ratternd die Percussion, versuchen irgendwo einzurasten, Halt zu finden und befinden sich doch kurz vor dem Punkt, wo der automatische Prozess überspannt wird. Das sorgt für Unruhe beim Hörer, hier funktioniert etwas nicht, wie es sollte. Dagegen pumpen die Drums von "A younger version of myself" zuverlässig, der Gesang wippt auf entfernten Piano-Klängen dahin, der Puls gibt unter der Narkose beiläufig die Richtung vor. Man weiß oftmals nicht, ob es sich bei diesen Stücken um watteweiche Albtraumszenarien handelt oder dies Momente kurz vor der Erlösung sind, in denen der körperliche Aspekt seine Gültigkeit verliert.

Distanziert sind die Vocals oft, greifen nicht zu, sondern gleiten scheinbar unbeteiligt an melodisch reizvollen Stellen entlang. Dass jene mit etwas mehr emotionaler Verbindlichkeit deutlich beeindruckender hätten geraten können, gehört zu dem Versteckspiel mit ungefähren, sich auflösenden Soundscapes. Denn für die handfesten Momente sorgt der Drum-Computer, der so manches mal kurz vor dem Kollaps zu stehen scheint, dabei aber seine motorischen Routinen zwanghaft aufrecht erhält. Die Melodien, die sich zum Beispiel in "Eyes glaring" in diffuse Ambient-Klangflächen ausweiten, sorgen dagegen für einen sedierten Schwebezustand, der jedoch in den seltensten Fällen komfortabel ist. Eher entsteht das Gefühl, dass etwas Entscheidendes unbemerkt vorbeizieht, dass etwas fehlt und dass der Kontakt zur Selbstbestimmung verloren geht. Dies ist in all der Weichheit, dem Zerfließen, ein unangenehmes Gefühl, welches Eustis mit seinen Stücken als Telefon Tel Aviv meisterhaft erzeugt. Und nicht nur der Hörer verliert sich in "Dreams are not enough", auch Eustis selber scheint mit seinen in Hall ertränkten Gesangsparts auf diesem Album wie ein hilflos Suchender ohne Aussicht auf Erfolg.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I dram of it often
  • A younger version of myself
  • Eyes glaring

Tracklist

  1. I dream of it often
  2. a younger version of myself
  3. Standing at the bottom of the ocean
  4. Arms aloft
  5. Mouth agape
  6. Eyes glaring
  7. Not seeing
  8. Not breathing
  9. Still as sone in a watery fane
Gesamtspielzeit: 50:02 min

Im Forum kommentieren

vincent92

2019-10-26 12:31:19

Wahrscheinlich habe ich mittlerweile Tomaten auf den Ohren, aber was soll an dieser Scheibe gut sein? Sorry, ist zu hoch für mich.

Armin

2019-10-23 21:42:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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