Moon Duo - Stars are the light

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Transatlantische Transzendenzen

Man stelle sich folgende Parallel-Musikwelt vor: Interpol veröffentlichen schon das zweite Doom-Metal-Album in Folge, Liam Gallagher engagiert Aphex Twin als Songwriter und AC/DC schmeißen für ihr großes Comeback die Gitarren über Bord und kündigen Tropicalia- und Jazz-Einflüsse an. Verrückt, oder? Bei manchen Acts erscheint eine Abkehr von ihrem charakteristischen Kernsound so abwegig wie eine tatsächlich soziale SPD-Politik im Jahr 2019. Eigentlich gehörten Moon Duo auch dazu, das 2009 gegründete Projekt von Wooden-Shijps-Gitarrist Ripley Johnson und seiner Frau Sanae Yamada. Doch mit ihrer siebten Platte "Stars are the light" ist es tatsächlich passiert – gleich der Opener "Flying" dürfte so manchen Fan vor den Kopf stoßen. Ein Funk-Rhythmus shuffelt sich ins meditative Delirium, Yamadas Synthies treten dominanter als Johnsons Gitarre auf und die Eheleute scheinen sich vor den Gesangsaufnahmen eine Valium-Tablette mehr als sonst eingeworfen zu haben. Sonst glich Moon Duos schwitziger Space-Rock eher einem Fiebertraum, nun betten sie sich – mit Unterstützung von Peter Kember von Spacemen 3 am Mischpult – in eine kuschelige Schäfchenwolke aus Dreampop und Psychedelic-Disco.

Die Unterschiede von "Stars are the light" zu seinen Vorgängern bleiben aber auf einer assoziativen, stimmungstechnischen Ebene, keiner strukturellen. Repetitives Songwriting und Spannungskurven mit der Topografie der Niederlande gehörten schon immer zu Moon Duo, sie drosseln hier schlicht das Tempo. Ihre Musik ist atmosphärisch immer noch so dicht und einnehmend wie zuvor, sie bedient nun bloß eher das Bedürfnis nach Entspannung als nach innerer Unruhe. Langeweile kommt dennoch nie auf, weil in den detailreichen, gut produzierten Arrangements zu viel passiert. Besonders toll gerät in dieser Hinsicht der federleichte Titeltrack, der sich mit bunt schillernden Synthie-Tupfern in Trance tänzelt. Selbst in einem extra unaufgeregten Song wie "Fall (in your love)" setzt Johnsons Gitarre ein paar interessante Reizpunkte, während sich über dem Bass-Groove von "The world and the sun" ein kleiner Sternenschauer zusammenbraut. Das Erbe ihrer Heimatstadt San Francisco, die mit Jefferson Airplane, Grateful Dead und Co. den Psychedelic Rock kultivierte, führen Yamada und Johnson auch im neuen Gewand fort, weisen mit Ansätzen aus dem britischen Rave-Pop aber auch auf die andere Seite des Atlantiks.

In der zweiten Albumhälfte werden Moon Duo wagemutiger. "Lost heads", der längste und beste Song, klingt, als hätte Toro Y Moi einen virtuosen Brocken Siebziger-Keyboard-Rock komponiert. "Eternal shore" mutet mit seinem elaborierten Rhythmus fast schon jazzig an und mit "Eye 2 eye" hauen die Kalifornier kurz vor Schluss einen unerwarteten Ausbruch mit drückenden Drums und stark verzerrtem Sechssaiter raus. Wenn sie mit dem balladesken "Fever night" auf der ruhigsten Note aufhören, offenbaren sie schließlich ihre traumwandlerische und -erzeugende Qualität am deutlichsten. Gemixt im portugiesischen Serra De Sintra, das die alten Römer "Lunae mons", also "Mondgebirge", nannten, wohnt "Stars are the light" schon im Entstehungsprozess eine naturverbundene Mystik inne, die auch beim Hörer ankommt. Mit der neuen Zurückgenommenheit wirkt Moon Duos Musik noch mehr wie eine bewusstseinserweiternde Droge ohne Nebenwirkungen, entfaltet in aller Seelenruhe eine bunt wabernde Projektionsfläche, auf der sich alles Erdenkliche vorstellen lässt. Selbst ein Angus Young mit Saxofon.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Stars are the light
  • Lost heads
  • Eye 2 eye

Tracklist

  1. Flying
  2. Stars are the light
  3. Fall (in your love)
  4. The world and the sun
  5. Lost heads
  6. Eternal shore
  7. Eye 2 eye
  8. Fever night
Gesamtspielzeit: 39:53 min

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Armin

2019-10-23 21:42:27- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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