Hobo Johnson - The fall of Hobo Johnson
Reprise / WarnerVÖ: 13.09.2019
Hände hoch, Hobo-Fall!
Frank Lopes Jr. alias Hobo Johnson aus Sacramento, Kalifornien, ist eher ein Slowcomer als ein Newcomer, denn hierzulande kennt ihn auch nach dem fantastischen zweiten Album "The rise of Hobo Johnson" von 2018 vermutlich immer noch keine Sau. Ein knappes Jahr danach – was für ein Arbeitstempo – erscheint nun "The fall of Hobo Johnson", auf dem er seine Sehnsüchte katalogisiert, mal deklamierend, mal plaudernd, mal flüsternd, oft krakeelend. Er hat sein Innerstes nach außen gekehrt, es ausgerollt wie einen Plätzchenteig und ein paar unterhaltsame Episoden ausgestochen. Dabei geht es ihm weniger um Resonanz als vielmehr um Selbstreflexion, mit der er die eigenen Dämonen exorziert und sich die Schmocke von der Seele rappt. Wahrhaftigkeit ist ihm wichtig, und zufälligerweise ist seine Musik dabei auch noch verflucht interessant.
Hobo Johnson ist ein Brühwürfel – ein begnadeter Geschichtenerzähler à la Mike Skinner mit dem Spoken-Word-Flow von Kate Tempest und Macklemore und dem Crossover-Sound und Aplomb der Beastie Boys. Er kommt mit Megaphon, aber er kommt in Frieden, und mag zunächst klingen wie einer dieser Immer-der-Witzigste-im-Raum-Typen, doch diese mit Selbstironie glasierte Exaltiertheit entpuppt sich als Schüchternheit gepaart mit Spieltrieb und Sendungsbewusstsein. In erster Linie ist Lopes ein Poet mit Nerd-Habitus und Bohème-Mindset, sein Humor hat scharfe Kanten und seine Cleverness eine bittere Note.
Der Opener "Typical story" beginnt mit einem knackigen Stutter-Sample und einem Gitarren-Riff, das an Becks "Loser" erinnert, und tatsächlich sind wir nach dem Evangelium des Hobo Johnson im Moment unserer Geburt schon Verlierer: "Everybody's gotta live a life / That they didn't ask for. Why / Would he put me here just to die? / Just to, just to – die." Das Leben ist eine Farce und alles eitel und nichtig – bis auf die Liebe, ganz so radikal ist er dann doch nicht. Einsamkeit und Herzbruch treiben ihn um, denn die sind ein Tod, den man bereits zu Lebzeiten stirbt. Im tragikomischen "Mover awayer" beweist Lopes, dass er ein enorm gutes Gespür hat für Dramaturgie und Hooks, die sich buchstäblich festhaken. Erfreulicherweise weiß er im Gegensatz zu vielen etablierten MCs, wann man das Singen lieber anderen überlässt, und so verwandelt die Electropop-Künstlerin Elohim in "Uglykid" mit ihrer Stimme Regen in Regenbögen, während eine verspielte Jazz-Trompete im Hintergrund ihr eigenes, hinreißend schönes Ding macht.
"Typical story" und "Ugly kid" sind für Lopes die gegenüberliegenden Enden eines Spektrums, das er selbst als "Alternative-HipHop-Rock-Folk" bezeichnet, wobei Sprechgesang immer noch das Alpha und Omega seiner Musik ist und Sampling ein nicht unwesentliches Element. Hobo Johnson und seine Band The Lovemakers funktionieren wie ein lebendiger Organismus; die Musiker greifen jede Veränderung der Stimmung auf, sind sein Chor und sein Echo. Dieses Call-and-Response-Muster und Lopes‘ brüchige, sich plötzlich erhebende und überschlagende Stimme sind die besonderen Merkmale des unberechenbaren Hobo-Johnson-Sounds. Auf diesem Album können Elegisches wie "Moonlight", "Happiness" und "February 15th" und Kopfnicker wie "Subaru Crosstrek XV" und "Ode to Justin Bieber" neben dem Skit-artigen "You & the cockroach", dem hymnischen "All in my head" und dem Weltschmerz-Banger "Sorry, my dear" existieren. Hobo Johnson ist gleichzeitig Romantiker, Melancholiker, Hedonist, Exzentriker und der Typ von nebenan. Seine Zerrissenheit gipfelt in "I want a dog", der an den Trainspotting-Epilog erinnernden Vision einer Mittelschichtsidylle. Lopes hat das Jammern und Schmachten kultiviert, aber er kapituliert nicht – weder vor der Absurdität des Lebens noch vor dem vergeblichen Unterfangen, sich einen Schnurrbart wachsen zu lassen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Typical story
- Mover awayer
- Uglykid
- Ode to Justin Bieber
Tracklist
- Typical story
- Mover awayer
- Uglykid
- You & the cockroach
- Subaru Crosstrek XV
- Moonlight
- Happiness
- All in my head
- Ode to Justin Biber
- February 15th
- Sorry, my dear
- I want a dog
Im Forum kommentieren
MartinS
2019-10-28 20:42:27
Spitzenalbum! Mehr Aufmerksamkeit dafür!
Armin
2019-10-23 21:41:57- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Threads im Forum
- Hobo Johnson - The fall of Hobo Johnson (2 Beiträge / Letzter am 28.10.2019 - 20:42 Uhr)