Neil Young & Crazy Horse - Colorado

Reprise / Warner
VÖ: 25.10.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

So viel Zeit

Dieser Tage war häufig zu lesen, dass "Colorado" die erste Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit Crazy Horse seit 2012 darstellt. Viel mächtiger erscheint jedoch die Zahl 50, ist es doch tatsächlich mittlerweile ein halbes Jahrhundert her, dass der Alt-Meister mit "Everybody knows this is nowhere" das erste Album mit seiner legendären Begleitband herausgebracht hatte.

Wie viel Young und Crazy Horse stecken nach so vielen Jahren noch im System? Tatsächlich erkennt man im Direktvergleich den einen oder anderen Altersfleck in der Stimme Youngs, der sich in den letzten Dekaden eingeschlichen hat. Spätestens aber beim ersten Röhren oder vielmehr Schrammeln der Gitarre findet man sich wieder in den frühen Siebzigerjahren. Auch inhaltlich ist die fortgeschrittene Zeit ein zentrales Thema. "You might say I'm an old white guy", gibt Young in "She showed me love" unumwunden zu. Wer soll das auch bestreiten? Viel wichtiger ist es Young jedoch, die Zerstörung der Umwelt durch Vertreter*innen seiner Generation anzuprangern und das Engagement der Jugend zu loben.

Umweltzerstörung – das zweite zentrale Thema der Platte, das unter anderem in "Green is blue" wieder aufgenommen wird. Allein der Songtitel verspricht tiefe Melancholie, so kann die Farbe Grün als Symbolfarbe der Natur und Hoffnung gedeutet werden, die jedoch vom "blue", der Depression, der Trauer, überstrahlt wird. Aber Young ist nicht bereit zu verzweifeln und schiebt mit "Shut it down" nicht nur einen wütenden Rocksong nach, sondern verrät im Text auch ganz nebenbei die Lösung des Problems. Mantraartig murmelnd, dann glasklar klingend, wird hier der Systemwechsel gefordert. In "Rainbow of colors" positioniert sich Young auch zum politischen Geschehen in den Vereinigten Staaten. Besungener "Rainbow of colors" wird als Erbe der alten USA beschrieben, der nicht übertüncht werden kann. Auch die Metapher der fallenden Mauern darf da nicht fehlen. Im Chorus, langsam getragen und mehrstimmig, sieht man förmlich vor dem inneren Auge eine Menschenkette Arm in Arm mitsingen, langsam hin und her wogend.

Kitschig wirkt das Ganze jedoch nicht. So wie man während des gesamten Albums nicht einmal die Augen verdreht wegen der offensichtlichen Themen, denen sich Young annimmt. Das bleibt dem Altmeister Young auch nach 50 Jahren gegeben, die Fähigkeit, niemals plakativ oder redundant zu werden, dafür sorgen allein die Sprachbilder, die er aufbaut, oder der schmutzig warme Gitarrensound. Dabei ist nicht jede Saite immer penibel gestimmt, nicht jeder Beckenschlag metronomgenau eingeschweißt, aber genau das erwarten Young-Jünger von einer neuen Crazy-Horse-Platte. Das ist der typische Neil-Young-und-Crazy-Horse-Jam-Charakter, der klanglich wunderbar eingefangen wurde und der Combo auch im Jahr 2019 noch das Recht gibt, Songs zu schreiben, die länger als fünf Minuten dauern.

(Florian Ernst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • She showed me love
  • Green is blue
  • Shut it down
  • Rainbow of colors

Tracklist

  1. Think of me
  2. She showed me love
  3. Olden days
  4. Help me lose my mind
  5. Green is blue
  6. Shut it down
  7. Milky way
  8. Eternety
  9. Rainbow of colors
  10. I do
Gesamtspielzeit: 50:27 min

Im Forum kommentieren

VelvetCell

2019-12-10 15:01:34

Wohl wahr, fakeboy. Der Vinyl-Preis ist unanständig. Daher bleibt es beim Streaming. :(

fakeboy

2019-12-10 10:35:14

Schönes Album, herrlich nostalgisch und wohlig-warm. Tät ich mir gerne auf Vinyl zulegen - aber fast 50 Euro für die einzig verfügbare Ausgabe? Übel.

tumbleweed

2019-10-29 22:41:23

Nicht wahr Cpt. Kid! She's always dancing...nur klasse! Kein einziger song des neuen Albums reicht an das Stück heran. Auch der Titeltrack war gut. Okaaayy...Driftin back hätte auch nur halb so lang sein können ^^
Aber die Verweise hier auf Ragged Glory, Sleeps with Angels und PsyPill haben Ihren Grund.....für ein Neil Young Album mit Crazy Horse etwas belanglos und brav

Peacetrail

2019-10-29 20:34:44

Ich höre mit Olden Days und Green is blue zwei echte Perlen. She showed me und Milky Way finde ich klassisch Crazy Horse, wegen Soundcheckcharakters. Der Rest ist komplett solide. Überraschend ist, dass das Album so wenig überraschend ist. Die Verweise hier auf Ragged Glory, Sleeps with Angels und PsyPill zeigen das ja auch.

captain kidd

2019-10-29 14:13:24

Giant und Ramada waren dann aber auch die einzigen Highlights. Der Doppelalbum-Charakter hat Pill nicht gut getan. Zu viele mediokre Songs. Mag den Sound beim neuen Album. Echt so zerschossen. Und in Plagiaten mag ich angesichts des Alters nicht denken. Da ist der gute Neil weit drüber hinaus...

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