Trentemøller - Obverse
In My Room / Rough TradeVÖ: 27.09.2019
Anders anders
Ja, wir haben es wieder getan. Es gibt nämlich nur eins, was Plattentests.de noch mehr am Herzen liegt als schräg vorbeiwankende Wortspiele: Running Gags, die ihre Penetranz erst dadurch richtig entfalten, dass man sie bis zum Erbrechen wiederholt. Und bevor wir's vergessen: Mutwillig entstellte Redensarten sind ebenfalls gern genommen. Drei Mal ist Kopenhagener Recht, weswegen auch diese Rezension nicht ohne Überschrift auskommt, die auf unerträglich witzige Art und Weise den Vornamen des Interpreten verwurstet. Schließlich gibt es sonst nicht viel zu lachen bei Anders Trentemøller, dem dänischen Elektroniker, der seine Alben inzwischen traditionell zeitgleich mit dem Herbstanfang veröffentlicht. Entsprechend wird es schattig, düster und zuweilen beinahe undurchdringlich. Gut, wenn man sich da an etwas festhalten kann.
Ganz so einfach wie mit dem Drum'n'Bass-Geschoss "Silver surfer, ghost rider go!!!" von "Into the great wide yonder" oder dem von Savages' Jehnny Beth gesungenen Electro-Klopfer "River in me" aus "Fixion" macht es "Obverse" dem Hörer zwar nicht, eröffnet aber immerhin mit einem Rachel-Goswell-Feature. Und die Slowdive-Frontfrau sorgt mit ihren entrückten Vocals zu knirschig hineinbrechendem Fuzz souverän dafür, dass man in diesen achteinhalb schwelenden Minuten kaum die Schuhe vor Augen sieht. Ein noch stilvollerer Auftakt als das zusammen mit Low herbeihalluzinierte "The dream" auf "Lost" – und ein Stück, vor dessen Hintergrund sich der zunächst eher unscheinbare Vorabtrack "In the garden" als bassig gedrückter Dream-Pop plötzlich von selbst erklärt. Und selbst Sängerin Lina Tullgren befällt ein Post-Punk-Frösteln unter Schwarzlicht.
Woran man sich nach Trentemøllers letzten Shows, die teils an elektrifizierte Joy Division mit nur leicht anderen Mitteln erinnerten, allmählich gewöhnt haben sollte. Nicht so jedoch an die immer kosmischer und industrieller kokelnden Instrumentals, in die zusehends bösartige Drones einsickern – oder zumindest zerspante Brutzel-Gitarren, die mitunter schwer als solche zu erkennen sind. Den "Foggy figures", die im gleichnamigen Stück durch die diesigen Schwaden stapfen, möchte man jedenfalls auch dann nicht unbedingt begegnen, wenn sie eingangs auf einem vorsintflutlichen Game Boy herumspielen, denn das dicke Breakbeat-Ende kommt bestimmt. Und walzt "Trnt" durch die Szenerie, ein zerrendes Urviech mit Schaltkreislaufproblemen und Nine-Inch-Nails-Soundtracks auf den Ohren, wird aus dem spannenden ein ziemlich bedrückender Herbst.
Auch das wehmütig betitelte "One last kiss to remember" braucht nur Sekunden, um sich als bekümmerter Sehnsuchtsbolzen zu disqualifizieren – schon zerreißen rabiate Riffs das Stück in der Luft, und Lisbet Fritze hat ihre liebe stimmliche Mühe mit der massiven Lärmwand, nachdem sie kurz zuvor den raumgreifenden Schleicher "Blue September" genauso gut bei ihrer Band Giana Factory hätte unterbringen können, wenn diese noch existieren würde. Noch ein Popsong gefällig, mit dem kaum mehr zu rechnen war? Das perkussive, vergleichsweise leichtgängige "Try a little" mit Warpaints Jenny Lee Lindberg am Mikro, bei dem Pinkunoizu-Bassist Jakob Falgren zudem seinen inneren Peter Hook entdeckt, macht am Ende auch das möglich. Und nach einer Stunde "Obverse" ist es Zeit, die Uhr umzustellen, damit es endlich früher dunkel wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cold comfort
- In the garden
- One last kiss to remember
- Try a little
Tracklist
- Cold comfort
- Church of trees
- In the garden
- Foggy figures
- Blue September
- Trnt
- One last kiss to remember
- Sleeper
- Try a little
- Giants
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2019-12-04 17:44:06
In The Garden und
One Last Kiss To Remember
gefallen sofort.
https://www.youtube.com/watch?v=6IgfwsiDSmM
Mit diesen Cure/New-Order-Gedaechtnisgitarrenlaeufen laeuft man natuerlich bei mir immer offene Tueren ein…
Danke.
Armin
2019-10-09 21:06:59- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Watchful_Eye
2019-09-29 08:43:21
Erster Eindruck ist positiv.
Insgesamt ruhiger, und weniger Pop als auf den letzten beiden Alben. Es schadet nicht, Gefallen an Krautrock á la Cluster zu finden.
MM13
2019-09-27 19:08:49
gewohnt düster,den cureähnlichen sound hat er weitgehends abgelegt,dafür wieder die elektronic mehr im vordergrund,ja vielleicht ambient,definitiv ein album für den herbst und winter,gefällt mir bisher recht gut,braucht aber noch ein bisschen.
Analog Kid
2019-09-24 22:45:37
"viel Flächen/Ambientkram"
Für jemanden wie mich, der eigentlich nur die "Last Resort" so richtig gut fand, dann vermutlich einen Hördurchgang wert...
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