David Hasselhoff - Open your eyes

Membran / Sony
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Stimme aus dem Hoff

Bei einem Konzert von David Hasselhoff fragt man sich unweigerlich, was man bei einem Konzert von David Hasselhoff macht. Neue Neologismen wie "hofftastic" lernen, zum Beispiel. Erschaffen vom Künstler urselbst. Im Foyer der Halle neben K.I.T.T. posieren zu können, mag ebenfalls eine Rolle spielen. Oder aber der voyeuristische Entertainmentgesuch bei einer Kultfigur wie The Hoff. Ohne ihn wären Hersteller von Karnevalskostümen um ein Rettungsschwimmer-Set ärmer und Deutschland mutmaßlich noch zweigeteilt. Ein Abend für Grenzgänger beim Grenzsprenger erweist sich indes als extrem unterhaltsam. Begleitet von einer Rockband flimmern Hasselhoffs mitunter preisgünstig zusammengetackterte und dadurch urkomische Musikvideos – Hooked on a feeling!!! – über die Leinwand. Der 67-Jährige selbst punktet als Symphat mit Charme, Witz und einer Stimme, die weit davon entfernt ist, die Niveau-Limbo-Dance-Stange zu reißen. In der Pause des Konzerts laufen seine Songs nochmals vom Band. Das hat Stil: It's all about The Hoff.

Diese fleischgewordene Fusion aus Selbstironie und Ambition prägt auch Hasselhoffs neues Album. Es ist das vierzehnte und eine Cover-Platte. Anders als die restlichen dreizehn überrascht es mit Gästen und Songs, die sich nie alle an einem Ort gemeinsam einfinden werden. Alleine, weil auf keiner Party Glen Campbell, Modern English, Udo Jürgens und Echo & The Bunnymen laufen. Außer eben auf "Open your eyes". Es ist nicht jedermanns Anspruch, diese versprengten Partikular-Lieblinge unter einem Dach namens Album zu einen, aber es ist immerhin noch ein Anspruch. Deshalb veröffentlicht Hasselhoff noch eigene Platten, spielt in eigens gebuchten Hallen mit teils abgehangenen Tribünen und tingelt eben noch nicht regelmäßig mit dem Ersatz-Captain-Jack und der Fünftbesetzung von Rednex über die Nineties-Revival-Festivals dieses Landes.

Im Titeltrack, eine Coverversion der Lords Of The New Church, assistiert ihm James Williamson von The Stooges. The Hoff wühlt sich mit dem Offbeat durch Achtzigerjahre-Goth-Rock und wirkt so wenig genrefremd, als hortete er schon immer Kajal im Handschuhfach. In "Head on" hilft The-Cars-Gitarrist Elliot Easton beim Cover von The Jesus And Mary Chain. Das Verwaschene des Originals verschwindet, die eingängig getakteten Drums rücken in den Vordergrund. Aber erst als Steve Stevens (Billy Idol, Michael Jackson) dem tieftönenden Hoff in "I melt with you" zur Seite gniedelt, gelingt es Hasselhoff, einen Song für sich zu vereinnahmen.

Dass dies so gut wie nie passiert, verdeutlicht ein Problem: Nur weil Hasselhoffs Interpretationen mitunter besser abschneiden als die Erwartungshaltung mancher Hörer, macht das "Open your eyes" nicht zu einem Hochgenuss. Gastmusiker wie Tracii Guns (L.A. Guns, Guns N' Roses, Poison) lenken von Hasselhoffs mittelprächtiger Intonation des Whitesnake-Hits "Here I go again" ab, verdecken sie aber auch nicht vollends. "Sweet Caroline", längst Teil seines Live-Repertoires, klingt – Ministry hin, Ministry her – wie ein angerockter Wiesn-Hit, "Sugar sugar" rutscht in unangenehme Schlagergefilde und der Country-Evergreen "Rhinestone cowboy" lag schon vor dem Ausritt tot im Sattel. "This goes out to Glen Campbell", sagt Hasselhoff zu Beginn. Ein ehrender Gruß. Dann folgt der Song und es fühlt sich an, als spiele ein sonnenmüder Reiter im Hinterhof mit einem Casio-Kinder-Keyboard.

David Hasselhoff covert in der ersten Hälfte Musik aus einer Zeit, als kein Fernsehzuschauer um den Mann und sein sprechendes Auto vorbeikam, beziehungsweise Mitch Buchannon erstmals seine rotorange-farbene Badeshorts überstreifte. Jene Stücke abseits dieses Zeitfensters erhalten wiederum für die Kongruenz zumeist ausgediente Synthieklänge der Achtzigerjahre. Das ist konsequent, aber eben auch nicht immer gut. So wird aus einer vermeintlich modernen Retrospektive schnell ein persiflierter Vintage-Sound. Mit "Jump in my car" covert Hasselhoff sein eigenes Cover des Songs. Nur eben featuring Todd Rundgren. Mehr Metaebene bietet nur "Heroes". Angestachelt von ultrakäsigen Synthies schwenkt Hasselhoff im zweiten Songteil auf David Bowies "Helden"-Version um. Heroes, Helden, Hoff, Bowie und Berlin – in der Welt von David Hasselhoff eine unumgängliche Logik. Er bleibt Deutschland eben eng verbunden. Udo Jürgens "Mit 66 Jahren" singt er, der 67-Jährige, deshalb ebenfalls teils auf Deutsch, teils auf Englisch. Über das Ergebnis legen wir den Bademantel des Schweigens und verweisen auf die Redaktion des ZDF-Fernsehgartens. Zu guter letzt dann "That's life". Kandierter Jazz-Pop, aber völlig in Ordnung. Wenn man nicht wüsste, dass Frank Sinatra das Stück mal gesungen hat. Hat er aber. Wenn Du Dich mit den Größten misst, steigt die Fallhöhe. Ein David Hasselhoff liebt die Gefahr.

(Stephan Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Open your eyes (feat. James Williamson)
  • I melt with you (feat. Steve Stevens)

Tracklist

  1. Open your eyes (feat. James Williamson)
  2. Head on (feat. Elliot Easton)
  3. I melt with you (Steve Stevens)
  4. Lips like sugar (feat. A Flock Of Seagulls)
  5. Heroes (feat. Tyler Bates)
  6. Here I go again (Tracii Guns)
  7. Jump in my car (feat. Todd Rundgren)
  8. Rhinestone cowboy (feat. Charlie Daniels)
  9. If you could read my mind (feat. Ava Cherry)
  10. Sugar sugar (feat. Steve Cropper)
  11. Mit 66 Jahren (feat. Patrick Moraz)
  12. Sweet Caroline (feat. Ministry)
  13. That's life
Gesamtspielzeit: 48:27 min

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Glühfranz

2019-10-12 11:50:21

Liegt er wieder vor dem Kühlschrank und schnabuliert einen großen Hamburger?

Plattenbeau

2019-10-12 08:02:03

Ich finde das Album inkonsequent. Die ersten Songs sind allesamt Coverversionen von grob gesagt 80er Jahre Indie-Songs. Doch dann schweift er sehr weit ab , covert wild durcheinander und driftet bis in Schlagergefilde. Es scheint als hätte ihm die Plattenfirma geraten, lieber noch ein paar tot genudelte Gassenhauer mit auf das Album zu nehmen, um eine möglichst große Zielgruppe abzudecken. Das hat leider wenig Stil und wirkt auch nicht wirklich selbstironisch.

Nur zur Info

2019-10-12 07:54:56

Clou =! Coup

The MACHINA of God

2019-10-12 03:48:25

Auch schön:
"The Hoff benötigt keine Referenzen"

The MACHINA of God

2019-10-12 03:27:46

Jetzt mal aus Spaß reingehört in ein paar Songs, z.B. natürlich "Head on". Jetzt alles nciht schlimm. Die Rezension trifft das übrigens ganz gut. Aber ob der Marketing-Clou klappt, wage ichc zu bezweifeln.

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