
Andrew Combs - Ideal man
New West / PIAS / Rough TradeVÖ: 20.09.2019
Rotweinmomente
Ach, diese lieben Jungs mit ihren flehenden Stimmen und dem Hang zur Romantik. Wer "Ideal man", das vierte Album des mittlerweile in Nashville beheimateten Songwriters Andrew Combs zum ersten Mal und dann vielleicht noch eher beiläufig hört, sortiert das Werk vorschnell in eben diese Schublade ein. Das wäre aber ganz schön ungerecht, denn der originär waidwunde Vintagesound in Instrumentarium und Timbre hat deutlich mehr verdient, als sich mit artverwandten Musikern um einen x-beliebigen Rotweinmoment zu streiten. Beherzt mit allerlei elektronischem Beiwerk garniert und mittlerweile eher reichlich weit weg vom ausschliesslich akustischen Americana geht der Sänger in die Vollen, ohne seine Wurzeln zu verleugnen.
Mit den Großen seiner Zunft ist er verglichen worden, mit Guy Clark, Steve Earle und Micky Newbury. Alle haben sie Anteil am Nashville-Sound, dem auch Andrew Combs auf seinen Alben frönt. Seit jeher immer kurz vor dem Mainstream abbiegend, hat sich der Musiker gerade auf "Ideal man" noch einmal andere Quellen gesucht. "Stars of longing" lässt die Gitarrensaiten twangen, ohne sich aus der entspannten Haltung zu lösen. "Ideal man" verfolgt ähnliche musikalische Grundsätze, auch hier stehen die jungenhafte Stimme und die knorrige Rhythmusgitarre nebeneinander und lassen sich höchstens von der zum Ende hin Aufruhr heischenden Orgel ein wenig aus der Ruhe bringen. "Like a feather" wiederum verweist auf die goldenen Fünfziger- oder Sechzigerjahre und hätte sich auch perfekt beim "Tanz unter dem See" in "Zurück in die Zukunft" als Klammerblues angeboten.
"Ideal man" nutzt seine retrospektiven Momente zu jeder Zeit voll aus. In "Hide and seek" etwa, einer sehnsüchtelnden Ballade, die zu sanften Pianotupfen aufzeigt, welch stimmliches Talent der Sänger aufweist. Das es dabei um die Liebe geht, wird binnen Sekunden klar und gerade wenn man mit Combs auf eben diese Suche gehen will, stemmt er sich mit der countrytauglichsten Vehemenz in "Dry eyes" energisch dagegen. Durch dieses Wechselspiel von Ruhe und Ausbruch bekommt das Album Lebendigkeit eingehaucht. So ist halt das Spiel des Lebens und der Musiker gibt reichhaltig darüber Auskunft, was er denn mit seinem so alles anfängt, doch auch was ihn gerade davon stört. "Shipwreck men", eine kleine feine Folkweise, entpuppt sich als Song zur Lage der Nation, die ohne festen Anker ins Schlingern gerät und bei der Suche nach festem Grund nicht immer sofort fündig wird. Weite und Ferne, Inneres und Äußeres, kaum merklich verschwimmt auf "Ideal man" Eigenes und Fremdes. Vordergründig scheint so das mit Klavierkaskaden veredelte "The stone" der Selbsttherapie zu gelten, doch haben Zeilen wie "That's the stone that blocks the way / Hides my heart, darkens the day / That's the stone I have to break alone" nicht auch eine höhere Ebene? So ein Stein bricht sich schließlich nicht von ganz alleine!
Unterschwellig und doch mit angemessenem Nachdruck ist "Ideal man" somit ein kleines Pflaster, um Trost, Kummer und kleine Wunden zu heilen. Combs nutzt dazu, mit oder ohne Hintergedanken, eine kleine Bandbreite an musikalischen Möglichkeiten, die seinen eher traditonell angelegten Americana weit über das Formatradio hinaus heben. Das ist dann weit mehr als ein x-beliebiger Rotweinmoment, das ist vielmehr eine Chance, endlich mal den samtweichen 2006er Spätburgunder von der Ahr mit angemessener musikalischer Begleitung in vollen Zügen zu genießen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ideal man
- Hide and seek
- Dry eyes
Tracklist
- Stars of longing
- Ideal man
- Like a feather
- Save somebody else
- Hide and seek
- Dry eyes
- Firestarter
- Shipwreck man
- Born without a clue
- The stone
- Golden
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Armin
2019-10-02 23:19:19- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Andrew Combs - Ideal man (1 Beiträge / Letzter am 02.10.2019 - 23:19 Uhr)