Immanu El - Structures

Immaculatus / Membran
VÖ: 13.09.2019
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Stadt, Land, Flucht

Die Türen machten es vor: "Ich will in die große Stadt / Ich hab' die kleine satt / Ich will mal 'ne ganz große Nummer werden / Eins, zwei, drei, vier!" Vier große Nummern haben die Schweden von Immanu El bereits in Albumform veröffentlicht, die so etwas wie eine Wohlfühl-Variante von Post-Rock bedienten. Betrachtet man das unter ästhetischen Aspekten wirklich wunderschöne Artwork ihres fünften Albums "Structures" und der zugehörigen Vorabsingles, fällt direkt auf, dass die Naturpanoramen der Vorgänger einer urbanen Verschwommenheit gewichen sind. Ist dies jetzt Immanu Els Album aus der großen Stadt? Als Kollege Laude in der Rezension zu "Hibernation" mit den Worten "Möglich ist alles!" schloss, konnte man ja nicht ahnen, dass in der Folge wirklich alles möglich war. Zum Beispiel eine äußerst mittelmäßige Platte. Bleibt man bei der Theorie der Landflucht, scheint das Stadtleben für die Band vor allem eins zu sein: relativ öde.

"Structures" verzichtet fast gänzlich auf die energischen Ausbrüche, welche vorher ihre Songs Richtung Höhepunkt trieb. Die acht Stücke beschränken sich vielmehr darauf, sich schön anzuhören – perfekt und klar produziert, mit feinen Details, aber kaum spannender Entwicklung. Zurückhaltung und Poppigkeit ist angesagt, abgesehen vom ein oder anderen sphärischen In- oder Outro dominieren elektronische, weichgespülte Beats. "Structures" geht in seinem Klangkonzept leider entweder zu weit oder nicht weit genug. Für Post-Rock ist das Songwriting zu undynamisch, für Pop sind die Tracks zu wenig griffig. Der Opener "Warm blood cold heart" ist da noch die beste, weil konsequenteste Verbindung der Neuausrichtung mit dem Kernsound von Immanu El. Hier gehen sie all-in auf einen eingängigen Refrain und lassen dennoch Platz für eine hübsche, schwebende Coda.

Das folgende "Ropsten" ist auch in Ordnung, zeigt aber bereits deutlich das Hadern der Band mit ihrer Identität. Allgemeinplätze in den Lyrics wie "In the light of the fire / I can see the end of the night" helfen nicht und plötzlich sind Referenzpunkte nicht mehr Sigur Rós oder Ef, sondern Softpopper wie Haevn, Dizzy oder Islands. Wenn Frontmann Claes Strängberg im melodisch immerhin schönen "Rain" die Zeile "I am gathering my forces" ins Mikro haucht, fragt man sich durchaus, wo denn die restlichen Kräfte der alten Alben hin sind. Während die erste Hälfte allerdings einige Momente der Schönheit birgt, knickt "Structures" vor allem in der zweiten Hälfte ein. "Ikaros" deutet mehrfach einen Ausbruch aus seinem Gedudel an, der frustierenderweise nie kommt, und "Breathe out black out" ist ein unfassbar generisches Ambient-Interlude. "Levels" macht auch leider so gar nichts aus seinem Samplegewirr.

Da braucht es schon das abschließende "Vesper", um die Platte wenigstens wieder ins Mittelmaß zu retten. Endlich hört man, dass irgendwo im Studio auch ein paar Effektpedale rumstanden, die das entschlossene Marschieren des Songs zum Ende hin glorios unterstützen. Es geht also doch noch! Unterm Strich ist das aber zu wenig – "Structures" ist eine echte Enttäuschung in Anbetracht dessen, was Immanu El eigentlich bisher an Können gezeigt haben. Irgendwo zwischen Easy Listening und Hintergrundrauschen haben sie sich klar verzettelt. Da schließen wir uns einer anderen Forderung aus dem Die-Türen-Song an: "Ich will mehr, sehr viel mehr!" Selbst wenn Immanu El dafür wieder aufs Land ziehen müssten.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Warm blood cold heart
  • Vesper

Tracklist

  1. Warm blood cold heart
  2. Ropsten
  3. Overgrown
  4. Rain
  5. Levels
  6. Ikaros
  7. Breathe out black out
  8. Vesper
Gesamtspielzeit: 42:51 min

Im Forum kommentieren

Leech85

2021-08-15 09:24:16

Konnte mich nun endlich auch mit dem Album beschäftigen. Klar im Vergleich zu den alten Grosstaten wie Moen und Passage ist das hier ziemlich reduziert.
Aber so schlecht wie es bewertet wird finde ich es nicht.
Leider ist der Beginn sehr verhalten und die Ambient Anteile sind sehr gering. Die ersten 3 Songs sind reiner Pop und nicht wirklich meins. Danach steigert sich das ganze und mündet im wirklich grossartigen Vesper. Immanu El schaffen es den Ambient Anteil in den Vordergrund zu setzten und der Pop erscheint nicht mehr als aufgesetzt oder kitschig. Das Album lebt auf einmal von der Atmosphäre, dies kann man im tollen Levels und auch dem Instrumental Track Breath out Black out beobachten.
Für mich ist die Scheibe sogar besser als Hibernation und somit ne gute 7.

Die logische Konsequenz aus diesem Album ist die neue Scheine Distance welche nur aus Ambient Tracks besteht. Kriegt man die eigentlich irgendwo physisch?

Jennifer

2019-09-26 18:46:45

Was Felix sagt.

Und:
Ich jedenfalls werde mir mein eigenes Bild machen.

Das solltest Du ohnehin immer machen.

Felix H

2019-09-26 15:39:48

Dass für dieses Genre aber jemand eingesetzt werden muss, der auch Backstreet Boys, Cher und Deichkind bespricht, macht die Wertung nicht glaubwürdiger. Ich jedenfalls werde mir mein eigenes Bild machen.

Aber sonst hast du kein Problem mit Engstirnigkeit? ;-)
Ich hör ja nun auch genügend Bands ähnlich wie Immanu El und kann da durchaus genug vergleichen.

Pivo

2019-09-26 14:27:39

Scheint tatsächlich so geworden zu sein, wie ich am 19.08. schon vermutet habe. Schade.....

dronevil

2019-09-26 13:53:44

Dass bei PT die Postrock-Kompetenz fehlt, ist ja nichts Neues. Dass für dieses Genre aber jemand eingesetzt werden muss, der auch Backstreet Boys, Cher und Deichkind bespricht, macht die Wertung nicht glaubwürdiger. Ich jedenfalls werde mir mein eigenes Bild machen.

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