
Life - A picture of good health
Afghan Moon / PIAS / Rough TradeVÖ: 20.09.2019
Endlich krank
"Hull ist wirklich übel. Immer, wenn ich sage 'I'm back from Hull', meine ich eigentlich 'I'm back from hell'." Welcher Musiker anlässlich der Frage nach seiner bisher schlimmsten Tourstation dieses vernichtende Urteil über die mittelenglische Stadt fällte, sei hier einmal verschwiegen. Nicht jedoch, dass Kingston upon Hull, so der offizielle Name, Anfang des 21. Jahrhunderts in ganz Großbritannien durch den offiziell unfähigsten Stadtrat und die höchste Durchfallquote bei Schulabschlussprüfungen nicht gerade glänzte und der Arbeitslosenanteil prozentual doppelt so hoch lag wie im Landesdurchschnitt. Und auch in den Achtzigern, The Housemartins' Debüt "London 0 Hull 4" hin oder her, sah es nicht viel schmeichelhafter aus. Offenbar also nicht das beste Pflaster – es sei denn, als Brutstätte für entsprechend angepisste Musik. Fragt mal Life aus – ja genau.
Sänger Mez Sanders-Green jedenfalls denkt trotz seiner mit Album Nummer zwei gerade Form annehmenden Bandkarriere nicht daran, seine Tätigkeit in einer Einrichtung für sozial benachteiligte Jugendliche aufzugeben. Glaubt man dem Cover von "A picture of good health", gibt es täglich immerhin eine Portion – wiewohl merkwürdig gefärbte – Pilzrahmsuppe. Schlappes Essen aus traurigem Topf, aber auch gegenüber dem 2017er-Erstling "Popular music" eine nochmals angespitzte Version wutentbrannten Lad-Post-Punks ohne Hipster-Modus. Life doch egal, was gerade Idles in Bristol oder Fontaines D.C. und The Murder Capital in Dublin abfackeln – das Quartett hält mit rasendem Uptempo, scharf gewetzten Gitarrenklingen und einem keifenden, pöbelnden und japsenden Sanders-Green dagegen. Und wenn's kracht, noch eine Breitseite.
Denn selten sprangen 13 hektisch durchgepaukte Songs dem Hörer hitziger mit dem Hintern ins Gesicht als diese. Endlich mal wieder eine Band, die im Grunde nichts anders macht als unzählige zuvor, aber dank rotziger Dringlichkeit den Urknall-Qualitäten der Debüts von The Libertines, The Rakes oder Arctic Monkeys verdammt nahe kommt. Was bei Life an Power, Gejohle, frenetischen Riffs und brodelnden Bassläufen in die maximal drei Minuten passt, die zwischen Theke und Gosse liegen, ist schlicht phänomenal: "Good health" rammt direkt einen dicken Stakkato-Pflock in den Boden, "Moral fibre" macht mit freidrehendem "Woo-hoo" noch etwas lauter – bis die verbreakte "Bum hour" schlägt und der Sänger sich verpeilt im Burger-Laden zur Ruhe bettet, nachdem der erhoffte Schlaf-etc.-Platz explodiert ist. Gesunder Lebenswandel? Würde da nur stören.
Vor allem, wenn Life mühelos von schwerem Punkrock-Geschütz zum rauen Indie-Heuler wechseln, im tighten Groover "Excites me" eine Quietsch-Orgel zum Äußersten treiben und sich bei "Thoughts" selbst überholen: "I was thinking of sex, I was thinking of booze, I was thinking of food" – am besten alles auf einmal. In diesem Zustand erscheint auch eine "Half pint fatherhood" wie eine gute Idee und wird der Schwur "Never love again" zum sturen Schnauben. Life können es sich leisten – und man selbst möchte sich Sätze wie "All angels ride for free, all heroes eat alone / Sweep up your debris from your sexless throne" oder "I look much better than you / I love much deeper too" sofort auf den Unterarm schreiben. Natürlich mit dem Kugelschreiber von der Krankenkasse, die seit Monaten auf ihre Beiträge wartet. "What a good place to be"? Ja doch! Zur Hölle noch mal.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Good health
- Bum hour
- Hollow thing
- Excites me
- Thoughts
Tracklist
- Good health
- Moral fibre
- Bum hour
- Hollow thing
- Excites me
- Never love again
- Half pint fatherhood
- Grown up
- Niceties
- Thoughts
- It's a con
- Don't give up yet
- New rose in love
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2022-02-04 01:28:43
stimmt. die Visions berichtete ende letzten Jahres:
"Life haben ihre neue Single "Friends Without Names" veröffentlicht. Im selben Atemzug kündigte die Band ihr drittes Studioalbum an, zu dem es allerdings bisher weder einen Titel noch Veröffentlichungsdatum gibt. Zum düsteren Post-Punk mit leichten Psych-Elementen teilte die Band ein Musikvideo, welches die urbane Landschaft rund um den Fluss Humber in ihrer Heimatstadt Hull einfängt. Die Band erklärte den Track wie folgt: "Unser Ziel war es, uns selbst unter Druck zu setzen und verschiedene Zeitzonen zu nutzen, während wir uns den Momenten der Schönheit, des Schreckens, der Liebe und des Chaos hingeben, die der Text des Songs beschreibt."
n00k
2022-01-19 23:57:43
Der aktuelle Song "Friends without names" ist stark.
MasterOfDisaster69
2019-11-18 14:24:55
Also "Bum Hour" gefiel wir sofort, die Platte habe ich noch nicht durch, auch wenn es nur 32 Min. sind.
https://www.youtube.com/watch?v=y7VvFAd6Aj4
Den Forumslink findet man nicht unter der Rezension, so wie sonst, warum ?
Peacetrail
2019-09-18 19:29:35
32 Minuten Laufzeit. Bei Tool fängt da so langsam das Album an.
MM13
2019-09-18 18:40:45
muss ich erst noch reinhören,aber popular music war schon geil.bin beim idles konzert auf life gestossen und gleich cd mitgenommen weil ich so begeistert war,da freu ich mich doch auf freitag.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen