Stefanie Schrank - Unter der Haut eine überhitzte Fabrik

Staatsakt / Bertus
VÖ: 27.09.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Das Licht am Ende des Tunnels ist kein Zug

Der Sommer ist vorbei, kein entspanntes Grillen auf dem Balkon mehr, morgens wird es später hell, abends früher dunkel und nachts macht man die Fenster zu vor lauter Kälte. Weg mit Eurer guten Laune, jetzt wird wieder knallhart Tacheles geredet! "Spuren der Verwüstung, Spuren von Verfall / Das sind keine Sterne / Es ist Schrott im Weltall / Glänzender Schrott! / Wie Diamanten überzogen von Rost", singt Stefanie Schrank. Tell us how you really feel, antwortet der arrogante Zyniker. Aber: Schranks Worte im Opener ihres Solodebüts "Unter der Haut eine überhitzte Fabrik" wirken nie prätentiös oder gar lächerlich. Sondern wie die Aussagen von einer, die beim Schauen der Abendnachrichten etwas weiter in die Zukunft denkt als nur bis zum nächsten Großeinkauf am Wochenende.

Schrank, normalerweise hauptangestellt bei Locas In Love und bis zur Auflösung 2010 auch bei Karpatenhund, hat mit ihrem ersten Solostreich das vielleicht ideale Album für den Herbstbeginn produziert. Aufgenommen über einen Zeitraum von fast drei Jahren, ist "Unter der Haut eine überhitzte Fabrik" ein Werk voller Melancholie, voller Schrecken, aber auch voller Hoffnung. Von Anfang an geht es durch eine post-apokalyptische Synthie-Klanglandschaft, alles wirkt verraucht und verstaubt, aber der Wiederaufbau dieser eben erst durch welche Umstände auch immer untergegangenen Welt ist bereits im vollen Gange. Vom bereits erwähnten Einstieg "Nothing is lost", dessen Titel allein schon andeutet, dass Totgesagte eben doch immer länger leben, über das völlig verstrahlte "Die Katze von Jesus" mit seinem unerwarteten Saxofon-Einsatz bis zum zurückhaltenden Dystopie-Disco-Dance von "Möbiusschleife" ist Schrank nie weit entfernt vom Anpacken, vom Machen, vom Motivieren.

Oder, um es mal mit den nur leicht abgewandelten Worten eines Lieblingssongs von Locas In Love zu sagen: Das Licht am Ende des Tunnels ist eben doch kein Zug, sondern echtes, wahres Licht, das Ende vom Ende, der Anfang vom Anfang. Alles wird gut. Wirklich! "Unter der Haut eine überhitzte Fabrik" ist es schon längst. Da schwebt "People are strange" vertäumt am Himmel über all jenen merkwürdigen Menschen, die sich ja doch irgendwie nur bemühen, und stellt trocken fest "What can better can get worse", während "Stadt unter der Stadt" zwar gut zwei Minuten braucht, um aus dem Quark zu kommen, sich dann aber recht angenehm aus der Molke direkt ins Herz groovt.

Der "Stranger things"-Pop von "Flow" fackelt derweil gar nicht lange, sondern loopt sämtliche Monster von Beginn an zurück in die bedrohliche Schattenwelt und macht dann doch irgendwie eine kleine Veränderung durch: "Changes change me." Gut zu wissen, dass das Leben nach der Apokalypse nicht weniger kompliziert zu werden scheint. Macht nix! Der Rauswerfer "Synchronize" ist nämlich nur aufs erste Ohr ein bisschen bedrohlich, aber wird dank Harmoniegesang und ätherisch anmutender Atmosphäre immer beruhigender, bis man merkt, dass die Welt ja noch gar nicht untergegangen ist. Das war nur das Fieber, dass da unter der Haut wütete. Ein Glück! Darauf erstmal einen guten Kürbis aus biologisch zertifiziertem Anbau und ein Tässchen Tee aus echter Minze. Wer braucht schon Sommer?

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nothing is lost
  • People are strange
  • Möbiusschleife

Tracklist

  1. Nothing is lost
  2. Die Katze von Jesus
  3. Fabrik
  4. People are strange
  5. Mothra
  6. Stadt unter der Stadt
  7. Möbiusschleife
  8. Ministrantin Stefanie
  9. Flow
  10. Spooky action
  11. Synchronize
Gesamtspielzeit: 37:38 min

Im Forum kommentieren

AndreasM

2024-05-06 07:59:56

danke für den Hinweis! Der EP-Titelsong ist eine tolle Idee und flauschige Auseinandersetzung mit der Sampler-Reihe. Hat mir heute morgen auf jeden Fall schon den ersten Ohrwurm der Woche beschert.

Immermusik

2024-05-05 14:17:47

Neue EP erschienen. Schlachtrufe BRD. Locas in love gibt’s auch noch. Sie sind nur eine sehr „langsame Maschine“
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/stefanie-schrank-schlachtrufe-brd-interview-100.html

Cade Redman

2019-09-18 18:15:59

Oh, freut mich das es eine 8/10 bekommen hat. Als Freund des Locas-In-Love-Kosmos habe ich es auf meiner Hearlist. Das Video zu "Spooky Action" ist auf eine seltsame Art schön. Das erinnert an das Erkunden von Playstation-Spielen.

Armin

2019-09-18 15:32:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Troni Tronikson

2019-08-09 16:49:13

Große Vorfreude!

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