Alasdair Roberts - The fiery margin

Drag City / H'Art
VÖ: 13.09.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Met oder Aperol Spritz

"The fiery margin", die feurige Begrenzung: Auf dem Artwork des neuen Albums von Alasdair Roberts brennt's lichterloh und ein Schifflein gleitet die lodernden Flammen entlang, als wären's bloß Wellen. Ein großes Kreuz dient als Hauptmast des Bootes – soll das etwa eine christliche Rettungsmetapher sein? Nun, Roberts' Musik orientiert sich schon immer an Traditionen, seine Songs dienen als Überlieferung der "auld songs", alter schottischer Weisen, Melodien in althergebrachter Manier. Auf "The fiery margin" vertieft der Singer-Songwriter seine Ausgrabungen an den Wurzeln britischer Liedkunst noch weiter. Während auf dem Vorgänger "What news", den Roberts mit Amble Skuse und David McGuinness veröffentlichte, das Piano den Ton angab, stechen auf seinem neuen Album – das in den Anchor Lane Studios in Glasgow von Luigi Pasquini aufgenommen wurde – fast durchweg die Saiten des irischen Violinisten Ailbhe Nic Oireachtaigh hervor.

Schon der Opener "False flesh" greift jenes charakteristisches Gefidel auf, das auch in der Single "The evernew tongue" zum Tragen kommt. Bereichert um kraftvolle Trommeln und mit einem schönen E-Gitarren-Solo in der Mitte versehen, funktioniert der Song ganz gleich, ob man gerade lecker Met oder aber Aperol Spritz aus seinem Trinkschlauch schlürft, denn diese furchtbar ohrwurmige Melodie ist schlichtweg zeitlos. Auch schön ist "A keen", welches im Hintergrund verzerrte Saiten oszillieren lässt und trauernd mit dem Takt der Percussion marschiert, während Roberts' Gesang von einer weiblichen Stimme umgarnt wird. Anderswo wird's noch bedrohlicher: In "The stranger with the scythe" nähert sich der Tod auf gar nicht mal so leisen Sohlen. Besonders die Steelguitar gefällt hier, aber auch das gen Ende beinahe gänzlich die Fassung verlierende Saxofon.

"Actors" kommt im Walzer-Takt anschlawenzelt und schunkelt sich mit seinem beseelten Akkordeon in Ohr. Letzteres findet sich auch in "Common clay" wieder, einer zweiten Auskopplung, die außerdem hübsche Bläser und eine gezupfte Akustische einbindet. Der Protagonist des Tracks tritt ins Zwiegespräch mit seinem Schöpfer und fragt ihn: "Why'd you mold me and shape me from this common clay?" So enttarnt Roberts die eigentliche Profanität des vermeintlich Heiligen und demaskiert die angebliche Rettungsgeschichte des Artworks gleich mit. Wunderschön, wie der Song nach einem Break bei 2:50 kurzerhand die Tanzschuhe schnürt und vermeintlicher Göttlichkeit die lange Nase zeigt. Deutlich unwitziger wird es in "Europe". Der Sänger erzählt eine Geschichte von Gefangenschaft und Befreiung, die sich sicherlich auch in den aktuellen Brexit-Kontext einordnen lässt, wenngleich die archaische Bildsprache Roberts' schwierig zu deuten ist.

Das ist auch ein bisschen das Hauptproblem der Songs des Schotten: Da sie ihre Inspirationen teilweise aus sehr alten Quellen ziehen, sind sie alles andere als einfach in eine Lebensrealität einzuordnen, in der man morgens, noch bevor man seinen Bettnachbarn küsst, aufs Handy guckt. Das kann natürlich entschleunigend wirken, dennoch scheint es bisweilen so, als wäre "The fiery margin" schlicht und ergreifend aus der Zeit gefallen. Nur selten – wie etwa im bereits erwähnten "The evernew tongue" – schafft es der Singer-Songwriter, diesen Graben wirklich zu überbrücken. Dennoch, wer sich ein bisschen Zeit nimmt, dem wird es gelingen, mehr und mehr in die lyrische wie musikalische Tonalität des Albums einzutauchen und sie schätzen zu lernen.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The evernew tongue
  • Common clay

Tracklist

  1. False flesh
  2. The evernew tongue
  3. Europe
  4. Comments
  5. A keen
  6. The stranger with the scythe
  7. Actors
  8. Common clay
  9. Learning is eternal
  10. The untrue womb
Gesamtspielzeit: 39:09 min

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Armin

2019-09-08 19:45:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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