Goo Goo Dolls - Miracle pill
WarnerVÖ: 13.09.2019
Denn ihrer sind Legionen
Mal etwas aus dem Plattentests.de-Arbeitsalltag. Der werte Herr Linder beglückt jede Woche seine schreibende Zunft mit Listen von Alben, die bald oder in naher Zukunft erscheinen. Und dafür kann sich der geneigte Rezensent dann melden. Wiederholt fand sich das neue Album der Goo Goo Dolls auf solchen Listen wieder. Keiner wollte so recht. Doch man ist ja kein Unmensch, und immerhin hat die Band mit "Iris" neben Aerosmiths "I don't want to miss a thing" und Bon Jovis "Always" eine der eindringlichsten Rock-Balladen der Neunziger abgeliefert. Und nicht nur eine spannende Entwicklung von der harten Band zur sehr soften hinter sich, sondern auch immer wieder passable bis gute Alben abgeliefert. Also meldete man sich dann doch, wird schon nicht so schlimm sein, kommerzielle Rockmusik mit emotionalen Ausbrüchen, da fällt einem kein Zacken aus der Krone, wenn man sich das mal zu Gemüte führt.
Doch dann ist es ganz, ganz schlimm gekommen. "Miracle pill" ist nämlich eine Sammlung von Songs, bei der selbst Maroon 5 Skrupel ob der Verarschung der eigenen Anhängerschaft entwickeln würden. Diese Stücke von Frontmann und Songschreiber John Rzeznik vereinen alles, was man mit entseeltem Stadion-Rock verbindet. So gut wie jeder Song wird im Refrain mit "Ohohoh"-Chören eingenordet, hier geht es ganz offensichtlich darum, das allersimpelste Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, wir sind eins, wir sind "Indestructible" und "Fearless". Denn die Welt ist "unfair" und "scared", da muss man blind und wie ein Mann zusammen stehen. Dabei helfen auch die entseelten Stampf-Beats, die eine Beleidigung für jeden Schlagzeug-Schüler nach der zweiten Lehreinheit darstellen, aber mit monotonem Hau-Ruck die willige Herde eintaktet. Ach ja, der Titelsong erdreistet sich dann auch noch, diesen in den letzten Jahren etablierten Taschenspielertrick anzuwenden, bei dem man inzwischen reflexartig "Cause I gonna be legend" ausruft: ein Ein-Ton-Klavier-Stakkato, welches den simplen Rhythmus noch mal wuchtig akzentuiert.
Ob es jetzt Alibi-Gitarren oder auf allereinfachster Reim-Shematik beruhrende Mitgröl-Refrains sind, diese Musik ist Ärgernis, Beleidigung und zynischer Scherz zugleich. Man malt sich aus, dass diese Band aus den Vereinigten Staaten einfach mal ausprobieren wollte, wie weit sie das Rad der Oberflächlichkeit drehen könne, ohne dass die Anhängerschaft aufmuckt. Es mag stimmen, dass sich unter Texten wie "You've got everything I need / Cause you're everything I'm not" eine große Schnittmenge an Leuten versammeln lässt, auch ein Song wie "Step in line" mit seiner locker ausschreitenden Hymnik lässt an Kollektiv-Kuscheln unter freiem Himmel denken. Nur geht es nie in die Tiefe, wird der Fan als Individuum null ernst genommen. Er soll Statist für eine dicht bevölkerte Kulisse sein, jetzt alle klatschen, und wie gesagt: "Ohohoh!"
Highlights & Tracklist
Highlights
- -
Tracklist
- Indestructible
- Fearless
- Miracle pill
- Money fame and fortune
- Step in line
- Over you
- Lights
- Lost
- Life's a message
- Autumn leaves
- Think it over
Im Forum kommentieren
Armin
2019-09-08 22:41:03
@hubschrauberpilot: Danke, ist korrigiert.
Crossfield
2019-09-08 21:43:04
Höre grad mal wieder nach langer Zeit "Dizzy Up the Girl" von 1998. Das, wo auch "Iris" drauf ist. Richtig gute Alternative Rock-Platte! Auch mal in die Single vom neuen Album reingehört. Das macht keinen Spaß, wobei es auch noch schlimmere Sachen gibt...
hubschrauberpilot
2019-09-08 20:51:01
Also die letzten 3 Alben waren nix. Ich glaub da kommt auch nix mehr, glaube dem Rezensenten ungehört die 2/10. Es ist schade, in den 90ern waren die richtig gut. Aber das ist auch schon ewig her...
jo
2019-09-08 20:42:45
@hubschrauberpilot:
Nur kurz auch verbessert: "Nicht zum Meckern (et cetera)" ;).
Ansonsten: erschreckend, was aus der Band mittlerweile geworden ist...
hubschrauberpilot
2019-09-08 20:40:00
Rechtschreibfehler in der Rezi. Nicht zum meckern, nur zum drauf hinweisen: Mal etwas aus dem Plattentests.de-Arbeitsalltag. Der werte Herr Linder beglückt jede Woche seine schreibende Zunft mit Listen von Alben, die bald oder in naher Zukunft er t cheinen.
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