Kaptain Kaizen - Alles und Nichts

This Charming Man / Cargo
VÖ: 23.08.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

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Ob Freiburg oder Koeter, Captain Planet oder Kaptain Kaizen – wer im deutschsprachigen Punkrock so langsam den Überblick verliert, der mag einst womöglich mit Turbostaats "Schwan" auf den Geschmack gekommen sein, als die Szene noch relativ überschaubar war. Und wundert sich seit geraumer Zeit über eine kleine Schwemme an frischen Bands. Etliche Epigonen haben sich mittlerweile auf den Weg gemacht, um den Flensburgern ins Watt zu folgen, die ihr musikalisches Futter einst selbst bei einem gewissen Jens Rachut bezogen. Es dünkt einem nicht bloß, dass es auch bei Kaptain Kaizen einer gehörigen Portion Wut und Tristesse bedingt, um diese Art von Musik zu machen. "Alles und Nichts" ist die dritte Platte der Mannheimer, und nun sitzt auch das kleine Liebhaber-Label This Charming Man mit im Boot.

Kaptain Kaizens Stil, das macht bereits der Opener "Konstrukt" klar, speist sich aus wuchtigen, quasi hintereinander herhechelnden Gitarrenriffs, dem genretypischen Sprechgesang und einer teilweise durch wilde Brüche zu charakterisierenden Rhythmusarbeit. Das alles kann im Sound-Paket bei der zigsten Neuauflage weder als besonders aufregend und neu, noch als überflüssig und unnötig bezeichnet werden – punktet am Ende aber sicherlich durch die stoische Beharrlichkeit, die auch den düsteren Post-Punk der Achtzigerjahre eine tragende Rolle spielen lässt, wie etwa das verschrobene "Messer" zeigt. Wegen der kurzzeitig immer wieder aufflammenden, flirrenden Gitarrenlicks in Strophen und Bridges werden manche auch von Emo-Punk sprechen. Wie dem auch sei, in jedem Falle halten wir fest: So richtig poppig wird es selten. Selbst Ohrwürmer wie "4000 Mark" , das gegen Ende über-hymnische "Kein Bock" und kauzige Kleinode wie "Troja" bewahren sich genügend schnaubende Kraft und schwingende Fäuste.

Der punkrockende Untergrund pulsiert mehr denn je, befeuert von der Wut über die Renaissance alter, überholter Muster, die für einen zu großen Teil der Gesellschaft scheinbar doch wieder en vogue sind. Und wenn die Mehrheit mit den Achseln zuckt und schweigt, dann muss jemand das Maul aufmachen. "Nicht nur 70 Jahre / Nie und nimmer mehr!", rufen Kaptain Kaizen in "Es gibt immer was zu tun" aus und es ist klar, dass sich neue Blüten des Faschismus und Antisemitismus nicht aussitzen lassen. Klar, sich abschotten, und dem Dialog aus dem Wege gehen, in einer linken Besserwisser-Blase verharren, das kann nicht der Ansatz sein. Doch wer sich auf sogenannten "sozialen" Medienplattformen schon einmal die Mühe gemacht hat, Argumente mit besorgten Bürgern auszutauschen, die ihrethalber alle Wahrheit und Intelligenz für sich beanspruchen und selbst wissenschaftliche Fakten leugnen, der kommt in so manchem Moment nicht umhin zu resignieren, wie Kaptain Kaizen in "Das oberste Organ" andeuten: "Gib es auf zu reden, Dir hört ja keiner zu / Bei Deinen Manövern mit den Vollidioten." Wo soll das alles hinführen? Wer eine Lösung hat, der trete bitte vor.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Es gibt immer was zu tun
  • Kein Bock
  • Messer

Tracklist

  1. Konstrukt
  2. Es gibt immer was zu tun
  3. Kein Bock
  4. 4000 Mark
  5. Messer
  6. Windeisen
  7. Troja
  8. Deal vor Gericht
  9. Hunderttausend Wege
  10. Das oberste Organ
  11. Krapotke
  12. Tunichtgut
Gesamtspielzeit: 35:41 min

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Armin

2019-08-25 20:44:48- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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