Japanische Kampfhörspiele - Verk ferever
Bastardized / MembranVÖ: 06.09.2019
Melodien für Millionen
Japanische Kampfhörspiele verbindet harte Musik mit gesellschaftskritischen Texten. So weit, so bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, dass die Krefelder Popgrind-Kapelle bei aller Kritik an der Konsumgesellschaft doch auch dem Dienstleistungsgedanken anhängt. Kein Scherz. Das fängt an mit dem Promozettel des Labels, der schnell mal die wichtigsten Fakten und Erläuterungen liefert. So erfährt man, dass "Verk ferever" an "Originalschauplätzen in Wesel, Essen, Prittriching und Faenza" aufgenommen wurde. (Aha.) Dass die Texte auf "gewohnt hohem antiintellektuellen Niveau" angesiedelt sind. (Klar.) Und dass die Platte ein "vollkommen krankes und reizüberflutetes, also zeitgemäßes Coverartwork" hat. (Ergibt Sinn.) Eine kurze Biografie rundet die Sache ab: "Japanische Kampfhörspiele ist eine relativ unbekannte deutsche Band des Spätanthropozäns, welche kurz vor der Machtergreifung durch die Maschinen noch mal alles gibt."
Derart umfassend informiert und instruiert wird man auch beim Hören nicht enttäuscht. Im Gegenteil, Japanische Kampfhörspiele erfüllen spielend alle Erwartungen. Die Massen wollen Popgrind, die Massen bekommen Popgrind. Soll heißen: alles wie gehabt – und doch ein bisschen anders. Eine Spur weniger pures Grind-Geballer, dafür grooven die Gitarren, dass es nur so eine Freude ist. Das Schlagzeug geht wie gewohnt aufs Ganze und walzt alles platt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Und wenn man es am wenigstens erwartet, setzen plötzlich Bläser ein, die sich überraschend gut in den allgemeinen Wahnsinn einfügen. Denn Service am Hörer bedeutet bei Japanische Kampfhörspiele eben auch, dass es kompromisslos und brachial was auf die Ohren gibt. Wobei die Krefelder dabei vielleicht nie zuvor so abwechslungsreich und für ihre Verhältnisse eingängig daher kamen wie auf "Verk ferever". Der Titelsong ist das beste Beispiel: fast zehn Minuten kakophonischer Wohlklang, komplett irre, total genial.
Auch in den Texten fahren Japanische Kampfhörspiele wieder die ganz schweren Geschütze auf, schießen gegen sinnentleerten Hedonismus und zur Normalität verklärte Rücksichtslosigkeit, sind maximal direkt, aber nie stumpf. Wer simple Antworten auf einfache Fragen sucht, ist hier ganz sicher an der falschen Adresse. "Alles ist mit allem verwoben", heißt es in "Befehlsempfänger", oder "Die Farben, die Klänge, der Stress, die Zwänge / Zu einem Wahnsinnslebensgefühl verrührt" in "Es klebt". Wo die Einsicht in die Komplexität der Zustände aber sonst gern mal als bequeme Ausrede für die eigene Untätigkeit dient, halten Japanische Kampfhörspiele weiter den Finger in die Wunde und drückt noch ein bisschen fester zu. "Man will nicht heilen, nur reparieren / Man will bloß stylen, nur dekorieren." In einer etwas besseren Welt liefe Musik wie diese im Radio und wir entfremdeten Lohnsklaven könnten während der Fahrt vom Büro nach Hause "Feierabendverkehr" mitsummen. Doch bevor das passiert, werden eher die Maschinen die Macht übernehmen. Für die Menschheit ist dann eh alles zu spät. Weshalb wir hier an dieser Stelle für die Nachwelt festhalten mögen: Japanische Kampfhörspiel ist die beste Popgrind-Band des Planeten. Und "Verk ferever" ist ihr neues Manifest.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Es klebt
- Kapitalismuswohlstandfortschritt
- Im Feierabendverkehr
- Kaputt
- Verk ferever
Tracklist
- Sozialisationsschaden
- Hedonistic Pflichtgefühl
- Aufgegeben
- Es klebt
- Unangeschnallt den Bullen reingefahren
- Kapitalismuswohlstandfortschritt
- Befehlsempfänger
- Im Feierabendverkehr
- Qualitätssicherung
- Zufrieden sein
- Kaputt
- Keinen Bock mehr
- Biohack
- Verk ferever
- Bonustrack
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2019-11-07 13:33:54
"Im Feierabendverkehr", klasse Song! Hut ab, und im letzten Drittel wird herrlich geknueppelt, einfach schoen.
https://www.youtube.com/watch?v=oELoEc7-SJE
Libidodadidum
2019-08-27 15:49:57
Klingt nachvollziehbar und andere Hinweise, deuten daraufhin, dass du Recht hast (das T-Shirt zum Album z.B.).
Ich habe auch mal in die bisher veröffentlichten Sachen zum Album reingehört und muss sagen, dass ich das nicht mehr so spannend finde.
Die Texte sind wohl immer noch ziemlich clever, aber wirken auf mich inzwischen auch oberflächlich.
Natürlich war das schon immer eine Band die sehr schnell zum Punkt kommt, dadurch, dass die politischen Spannungen in den letzten Jahren aber so gewachsen sind, fühlt sich das für mich ein bisschen nach "Kanonen auf Spatzen" an.
Anders gesagt: Was JaKa so ansprechen höre ich inzwischen, weniger differenziert, sehr oft im Alltag, von den unterschiedlichsten Menschen.
The MACHINA of God
2019-08-26 19:38:22
Die gibt es noch? Cool.
Hmm. Vielleicht "Work forever"? Wäre jetzt meine erste Idee.
Libidodadidum
2019-08-26 17:27:06
Schön, dass es die noch gibt.
Kann mir jemand sagen, was der Albumtitel bedeutet?
Vielleicht auch nur ein kleiner Hinweis, so dass ich selbst noch etwas Recherchespaß habe?
Armin
2019-08-25 20:44:36- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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