Ezra Furman - Twelve nudes

) Bella Union / [PIAS] / Cooperative / Rough Trade
VÖ: 30.08.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Punk und frei

Als wir das letzte mal mit Ezra Furman, dem Springsteen der queeren Generation, zu tun hatten, war er gerade auf der Flucht. Auf "Transangelic exodus" türmte er mit seinem Flügel-amputierten Engel kreuz und quer durch Amerika. Das Feindbild bei diesem Roadtrip war eine faschistoide Gesellschaft, die sich der Freiheit und Selbstverwirklichung dieses unwahrscheinlichen Liebespaars als scheinbar unüberwindliches Hindernis entgegenstellte: "To them / We'll always be freaks." Wenn uns Furman nun erneut über den Weg läuft, erkennt man schnell, dass er mit leichtem Gepäck unterwegs ist. Sein neuester Streich "Twelve nudes" trägt die Reduktion nicht nur im Titel, sondern setzt auch auf weniger Opus und Konzept. Dies sei seine Punk-Platte, berichtet Furman und ja, dieser Typ aus Berkley hat jede Menge Rotz, kaputte Gitarren-Feedbacks und eine Direktheit an Bord, an der man sich schön die Knie aufschürft.

"Calm down aka I should not be alone" ist eine amtliche Meckerei, die Stimmbänder Furmans werden ordentlich drangsaliert und doch geistert aufgrund des Rhythmus etwas Spielerisches durch diese garstige Nummer. Mit welcher Inbrunst dann jedoch der "Evening prayer aka Justice" angegangen wird, lässt keine relativierenden Zwischentöne zu. Die Akustikgitarre wird herzlich geschreddert, der Gesang verwurschtelt sakrale Wut in einen Hochdruck-Hymne, die Traurigkeit in grimmige Verzweiflung übersetzt. Furman kommt auf "Twelve nudes" über wackelige Brücken und schwer gangbare Pfade erstaunlich direkt auf den Punkt. Man will mitgrölen, mit ausrasten, Kleider und Glaubenssätze verbrennen. "Transition from nowhere to nowhere" zärtelt zunächst im Falsett. Ein verträumter Spiegelpalast? Wird kurz später zersplittert! Dabei hat Furman die Freude an unheimlich einnehmenden Refrains als Argument auf seiner Seite. Die Songs sind schlank aber randvoll mit melodiösem Gönnertum.

Die "Rated R crusaders" geifern in heftigem shock and go, die Gitarren quietschen und knarzen ungesund. Dezent neben der Spur aber meistens voll drauf ist das Motto, Furman will heftig Eindruck hinterlassen. Da ist der Swamp-Rock von "Trauma" besonders süffig und "Thermometer" eine hedonistische Hatz durchs Glam Rock-Unterholz. Der trunken schunkelnde Vollmond-Americana "I wanna be your girlfriend" lässt spießigen 50er-Jahre-Klammerblues ironisch an der zeitgenössischen Diversität zerschellen und trotzdem weiß Furman das Potential tradierter Melodien auszuschöpfen. Furman gestaltet seine Songs einfach und verständlich, "My teeth hurt" ist zum Beispiel ein einziges Anrennen gegen die granitene Wand, "In America" lässt den Motor hingegen mit Träne im Augenwinkel geschmeidig laufen. Da braucht es dann auch keine Festreden und langen Erläuterungen, Ezra Furman sei einfach diese Frage gestattet: "What can you do but Rock n Roll?"

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Evening prayer aka Justice
  • Transition from nowhere to nowhere
  • In America

Tracklist

  1. Calm down aka I should not be alone
  2. Evening prayer aka Justice
  3. Transition from nowhere to nowhere
  4. Rated R crusaders
  5. Trauma
  6. Thermometer
  7. I wanna be your girlfriend
  8. Blown
  9. My teeth hurt
  10. In America
  11. What can you do but Rock n Roll
Gesamtspielzeit: 27:38 min

Im Forum kommentieren

Gordon Fraser

2020-09-09 01:37:54

Ja, das nächste Album muss dann eigentlich irgendwas in Richtung Post-HC werden. :D

Jellybelly

2020-09-08 23:57:42

Cooler typ. Variabel- wie es scheint

StopMakingSense

2020-09-08 21:20:17

...ich finde es übrigens bemerkenswert wie sehr die ganze Platte auch fast (fast) eine der frühen Pixies sein könnte, und das trotz vollkommen unterschiedlicher Herangehensweise an hier: das Aufbauen, dort: das Dekonstruieren von Songstrukturen. Witzig.

Ich mag dennoch Transangelic Exodus immernoch am liebsten im IMHO noch zu kleinen Oeuvre des Menschen Furman. Ich wäre aber auch dafür, dass er sich mal etwas mehr auf irgendwas konzentriert. Musikalisch, meine ich - der ganze Rest ist seine Sache und mir egal ;)

Cade Redman

2020-04-21 17:19:47

Mein Favorit ist "What can you do but Rock n Roll". Das rockt sehr gut.

MM13

2019-08-30 18:57:22

hammer,nur ein bisschen kurz das ganze,scheint als hat ezra hier seine ganze wut abgebaut.

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