The Ritualists - Painted people
Out Of Line / Rough TradeVÖ: 02.08.2019
Weh wie Leder
Was riecht nach Wildleder und ist doch kein Schuh? Womöglich The Ritualists aus New York? Kein ganz abwegiger Gedanke, wenn man einen Blick auf den Titel ihres Debüts wirft und sich der Band mit ein wenig Basiswissen über die Britpop-Welle der Neunzigerjahre nähert. Dann fällt nämlich schnell auf, dass dieses Album genauso heißt wie die B-Seite der "Animal nitrate"-Single von den Genre-Säulenheiligen Suede um Brett Anderson, die sich wiederum nach dem eingangs erwähnten Obermaterial benannten – wiewohl Sänger Christian Dryden pflichtschuldigst von einer Hommage an die Paradiesvögel seiner Homebase spricht, denen man bei einem "walk on the wild side" über den Weg läuft. So oder so könnten die Voraussetzungen für eine lodernde Referenzhölle in Sachen Glam-infizierter Indie-Rock mit Spurenelementan aus New Wave und Post-Punk also kaum besser sein – zumal Dryden und Kollegen auch gut und gerne als Gothic-affine, räudigere Pendants zu Brian Molko durchgehen könnten.
Wer nun die zugehörige Musik unter Verweis auf allzu offensichtliche Vorbilder schon gar nicht mehr hören mag, dem muss man in Bezug auf The Ritualists' überschaubare Eigenständigkeit wohl oder übel Recht geben – womit der Lack auf "Painted people" aber lange noch nicht ab ist. Erst recht nicht, sobald "Ice flower" zu knorrigem Bass und planvoll verschobenen Rhythmen einen im wahrsten Wortsinne vollmundigen Refrain heraufbeschwört, in dem Dryden weh über verlorene Liebe, Coleridge-Poesie und Inspiration per Leidensdruck jubiliert. Dass das Video vier Geschäftsleute in einem kellerlochartigen Büro-Verschlag bei einer so handfesten Prügelei zeigt, als wäre die männliche Besetzung von "Bad banks" dem "Fight club" beigetreten, kündet von der Wucht lange unterdrückter Gefühle oder der Ellbogenmentalität einer kalten Welt – und der Song funktioniert prächtig als langersehnter Heizstrahler für alle, die inzwischen auf den Trichter gekommen sind, dass Scheiße nicht immer wärmt. Fantastisch.
Ehrensache, dass die idealisierten Frauenfiguren, die auch bei Suede immer wieder Thema waren, nicht lange auf sich warten lassen. Diejenige von "She's the sun" wird Zeuge, wie sich latent orientalische Synthie-Flächen und ein dem Rave-Rock nahestehender Beat in hedonistischer Hochzeit vereinen, "I'm with the painted people" lässt beim Schmink-Tutorial psychedelische Gitarren aufheulen. Sogar The Cure sind im Geiste anwesend, wenn der Opener "Rattles" und "Darling" die Keyboard-Wälle und verhuschten Percussions aus "Disintegration" nachmodellieren. Und so machen Wehmut und Enthusiasmus, Verzweiflung und Übersexualisiertheit und eigentlich alles, was einem an der glamourösen Seite der Rockmusik gefallen kann, "Painted people" zu einem blendenden Album statt bloß zu einer dauerzitierenden Nummernrevue. "Where do we go from here when the future's so unclear?" fragt Dryden zu Unrecht: Nach diesen zehn Songs dürfte die Zukunft für The Ritualists blendend aussehen. Und bunt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ice flower
- She's the sun
- I'm with the painted people
Tracklist
- Rattles
- Ice flower
- Worthiest one
- She's the sun
- Starry night
- I'm with the painted people
- Over the lie
- Darling
- True dictator
- Sunset
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Armin
2019-08-18 20:47:22- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- The Ritualists - Painted people (1 Beiträge / Letzter am 18.08.2019 - 20:47 Uhr)