Common - Let love

Concord / Loma Vista / Universal
VÖ: 30.08.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Waiting for the feeling

Common hat sich lange genug um die anderen gekümmert. Gerade auf dem überraschend starken letzten Album "Black America again" wusste der "Herbergsvater des HipHops" (Kollege Bischoff) mit beeindruckender Schärfe die Wunden eines blutenden Landes offenzulegen und sie empathisch zu verarzten – Commons richtiger Name Lonnie Lynn klang eh immer schon wie das bürgerliche Alter Ego eines Marvel-Helden. Doch 2019 richtet sich sein Blick wieder verstärkt nach innen, er hat seine Memoiren "Let love have the last word" veröffentlicht und seine zwölfte Platte nicht nur namentlich von diesen inspirieren lassen. "Let love" ist allerdings kein autobiographisches Werk, es nutzt vielmehr die Lebenserfahrung des mittlerweile 47-Jährigen für Reflexionen um das große four-letter-word, das in nicht weniger als sieben von elf Songtiteln zu finden ist. Es geht um die Liebe zur Musik, zu sich selbst und nicht zuletzt auch zu Gott. Dem Rückzug ins Spirituelle und Introvertierte fällt Lynns sonst immer präsente Ambiguität dabei ein wenig zum Opfer. Immerhin sprechen wir von dem Mann, der in seiner Film-Vita sowohl einen rappenden Kaiserpinguin als auch brutale Handgemenge mit John Wick stehen hat.

Um sich dem Inhalt anzupassen, vollzieht Lynn auch musikalisch eine Kehrtwende, distanziert sich vor allem von der unterkühlten Trockenheit eines "Nobody's smiling" – "Let love" ist ganz eindeutig sein wärmstes Album. Das minimalistische Klangbild verortet sich nah am Soul, kommt fast ohne Samples aus und baut sich seine organischen Beats zumeist nur aus Schlagzeug, Bass und Piano. Die gut gefüllte Gästeliste setzt eher auf Können und Talent als auf große Namen: Die sonst im Jazz beheimateten Karriem Riggins und Burniss Travis kümmern sich ums Handwerk, die anschmiegsamen Stimmen von BJ The Chicago Kid oder Jill Scott ums Gefühl. Am präsentesten ist ein gewisser Samora Pinderhughes, Pianist und ebenfalls vokaler Eisschmelzer, der gleich im Opener "Good morning love" seine beiden Stärken unter Beweis stellt. Doch Lynn räumt nicht nur seinen Gästen viel Platz ein, er würdigt in "HER love" wortspielerisch die halbe US-Rap-Szene. Eine Kostprobe: "You gave us a chance to dream / In young thugs, you see a future / You recognize little uzi ain't here to shoot ya / At 21, you know I was savage." Eine hingebungsvolle, gelungen umgesetzte Liebeserklärung an den HipHop, die nur etwas unter dem leicht angerosteten Flow des gebürtigen Chicagoers leidet.

Die durchweg wohlklingende Homogenität erweist sich allerdings auch als Krux. Vor allem in der zweiten Albumhälfte prägt sich wenig ein und die emotionale Intensität des ästhetisch sehr ähnlichen Loyle Carner wird nur selten erreicht. Riggins und Travis, die Lynns Aussage nach alles zwischen Gang Starr und Radiohead können, hätten ihre Virtuosität an Drums und Bass auch ruhig noch etwas mehr zeigen können. Einen willkommenen Ausbruch stellt das Swizz-Beatz-Feature "Hercules" dar, ein düster-polternder kleiner Wutbrocken mit East-Coast-Vibe. Den genau gegensätzlichen Pol und ein weiteres Highlight bildet "Show me that you love", eine siebenminütige Streicher-und-Klavier-Meditation, welche die in sich ruhende Schönheit von "Let love" am eindrücklichsten konzentriert. Doch über allem schwebt "Fifth story", einer der besten Common-Songs seit "Be" und ein Meisterstück dringlichen Storytellings. Wieder geht es um die Liebe, aber dieses Mal um die falsche, aufbereitet in einem detailliert gezeichneten Beziehungsdrama, dessen finaler Gewaltakt die Doppeldeutigkeit des Songtitels auf brutalste Weise aufdeckt. Ein bisschen traurig, aber wahr: Die Geschichten der anderen kann Lonnie Lynn noch immer besser als die eigenen erzählen.

(Marvin Tyczkowski)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hercules (feat. Swizz Beatz)
  • Fifth story (feat. Leikeli47)
  • Show me that you love (feat. Jill Scott & Samora Pinderhughes)

Tracklist

  1. Good morning love (feat. Samora Pinderhughes)
  2. HER love (feat. Daniel Caesar)
  3. Dwele's interlude
  4. Hercules (feat. Swizz Beatz)
  5. Fifth story (feat. Leikeli47)
  6. Forever your love (feat. BJ The Chicago Kid)
  7. Leaders (Crib love) (feat. A-Trak)
  8. Memories of home (feat. BJ The Chicago Kid & Samora Pinderhughes)
  9. Show me that you love (feat. Jill Scott & Samora Pinderhughes)
  10. My fancy free future love
  11. God is love (feat. Leon Bridges & Jonathan McReynolds)
Gesamtspielzeit: 46:49 min

Im Forum kommentieren

Armin

2019-08-18 20:46:03- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum