Grossstadtgeflüster - Trips & Ticks

BMG / Warner
VÖ: 16.08.2019
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Zweifel des Partytiers

Stellen wir uns Grossstadtgeflüster als Malertrupp vor. Wie würde so ein Häuschen nach der feinfühligen Bearbeitung durch das Trio aussehen? Zweifelsohne wäre der Anstrich eher in Neonfarben als in Pastell gehalten und auf Farbroller, dieses langweilige Werkzeug der Biederen, hätte die Band wohl auch verzichtet. Eher kommen einem da wild durcheinandergerüttelte Farbeimer und voller Körpereinsatz in den Sinn – weil Anarchie, Baby. Aber irgendwann überfällt einen die Erkenntnis. Man sitzt beim morgendlichen Kaffee und denkt: "So ein Vorraum ist halt doch nur ein Vorraum, ganz egal, wie viel Farbe man an die Wände klatscht." Dann schüttelt man den Kopf und brummt ein zartes "Verdammt!" in sein Heißgetränk. "Trips & Ticks", das erste vollständige Album der Berliner Elektro-Party-Pop-Formation seit sechs Jahren, erweist sich diesbezüglich fast schon als Charakterstudie, denn auch der beste Eskapist hat hin und wieder mit Realitätseinbrüchen zu kämpfen.

Aber erstmal ist "Feierabend". Die Gutelaunemaschine – frisch vom Service – trötet aus vollen Rohren, und das schon auf dem Weg von der Werkstatt nach Hause. Natürlich wirft da der ein oder andere Passant mit fragenden Blicken um sich, aber wenn die Arbeitszeit zu Ende ist, stören solche Kleinigkeiten wenig. Jen Bender, Raphael Schalz und Chriz Falk haben ihren Pöbel-Pop dieses Mal derart überzogen mit Trash-Elementen angereichert, dass die Instrumentals im Grunde auch ohne Lyrics herumalbern. Wenn Grossstadtgeflüster ihre Musik für sich sprechen lassen, entpuppt sich diese als feuchtfröhlicher Geselle, der schon nach dem ersten Bier Witze erzählt, über die man normalerweise erst nach dem dritten lachen würde. Normalerweise wohlgemerkt, denn wer sich bei Songs wie "Diadem" nicht amüsiert, nimmt sein Leben schlicht zu ernst. Da aber so ein Witz durch wiederholtes Erzählen selten besser wird, haben auch die wirklich gelungenen Scherze auf "Trips & Ticks" mit einer vergleichsweise niedrigen Halbwertszeit zu kämpfen. Die übrigen kommen leider so gar nicht in die Gänge. Vor allem dann, wenn sich die Lyrics wie in "Skalitzer Straße" altbackener geben, als der Band das recht sein kann. Der Chorus "Ich bin zwar tot, aber ich hatte Vorfahrt" könnte ebenso gut als elterliche Warnung für den Führerschein-Neuling herhalten. Und gegen die musikalisch und textlich einfallslose Hippie-Utopie "2080" wirkt sogar K.I.Z.' "Hurra die Welt geht unter" wie wohldurchdachte Gesellschaftskritik.

Dem gar nicht so dauerhaften Dauerspaß kommen in regelmäßigen Abständen Zweifel in die Quere. Wenn Bender und Schalz in "Meine Couch" das gepflegte Versiffen in den Gruben ihres Mobiliars feiern, tönt der zugehörige Beat mit seiner knallenden Snare gerade in dem Maße abgründig, dass er immer noch auf einer Party laufen könnte. Relaxen kurz vorm Ende quasi. Explizit werden die Schattenseiten der YOLO-Generation auf Tracks wie "Neue Freunde", "Anpassungsstörung" oder auch "Das was Peter Pan sagt" thematisiert. Danger Dan flowt hier als Feature-Gast so locker über den Beat, dass es Freude macht, ihm dabei zuzuhören und auch Bender spielt gekonnt mit Musik und Stimme. Als müssten sie die Zweifel des Partytiers abseits der Arbeitsgesellschaft autosuggestiv aus ihrem Seelenleben drängen, betonen die Musiker stets aufs Neue, dass sie irgendwie doch auf alles scheißen und nur nicht so sein wollen wie die anderen. Das führt zwar im Einzelfall nicht unbedingt zu einem gelungenen Output – Songs wie "Huxley's" oder "Meine Mama" machen dies deutlich – dafür aber zu spannenden Ambivalenzen im Albumkontext. Wer allerdings nach nach einer durchgängig knackigen Mische aus Klamauk, Trash, Cleverness und Spaß sucht, muss trotz mehrerer Perlen in der Tracklist woanders fündig werden.

(Katharina Bruckschwaiger)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Feierabend
  • Das was Peter Pan sagt (feat. Danger Dan)
  • Diadem

Tracklist

  1. Feierabend
  2. Neue Freunde
  3. Meine Couch
  4. Das was Peter Pan sagt (feat. Danger Dan)
  5. Skalitzer Straße
  6. Simsalabim (Skit)
  7. Diadem
  8. Huxley's
  9. Anpassungsstörung
  10. Auf alles
  11. Hallus (feat. HGich.T)
  12. Der springende Punkt (Skit)
  13. Trotzdem
  14. Meine Mama
  15. 2080
Gesamtspielzeit: 47:23 min

Im Forum kommentieren

Dee

2019-09-03 18:12:32

Ich feiere gsgf und diese rattenschlechte Rezension!
Hör hier nix hipster, Aber gut....
Nun reichet mir den spucknapf

Souljacker

2019-08-16 12:19:35

Langweiliger Konsens-Hipster-Kram. Braucht kein Mensch.

Armin

2019-08-15 18:05:15- Newsbeitrag

Grossstadtgeflüster feiern ihre Couch, veröffentlichen "Trips & Ticks" - und sind auch 2020 on the road!
Liebe Freunde und Medienpartner,


an diesem Freitag kommt mit "Trips & Ticks" endlich das neue Album der Zerstörungstheoretiker*innen von Grossstadtgeflüster. in die Plattenläden. Einen Tag zuvor, also am 15.08., steigert das Trio die ohnehin bereits von examinierten Parawissenschaftlern messbare Vorfreude in intergalaktische Dimensionen - und serviert der sehnlichst wartenden Menge ihrer Fans eine weitere Single, um deren Hunger nach einer ordentlichen Dosis Grossstadtgeflüster bis zur Veröffentlichung des Albums halbwegs zu stillen.

Die Single „Meine Couch“ ist die ultimative Hymne an das wohl bequemste Möbelstück überhaupt: Das zum Abgammeln prädestinierte und auch unter dem Kosenamen "Fleischmagnet" bekannte Sofa. Jeden Tag werden weltweit aggregiert Jahrzehnte auf dem wohl besten aller Einrichtungsgegenstände verbracht - sei es verkatert, faul oder einfach nur prokasinierend. Da all dies zu den Kernkompetenzen von Grossstadtgeflüster zählt, ist es ebenso naheliegend wie überfällig, dass die Berliner dem fläzigsten aller Raumelemente endlich einen Song gewidmet haben.

In üblicher GSGF-Manier bebildert die Band den Song im dazugehörigen Video wieder perfekt mit einer Mischung aus Trash und Jogginghosen-Charme. Also, Schlumpi-Klamottten an, Chipstüte und Dosenbier parat stellen - und den Clip zu "Meine Couch" hier starten.



Na, war das toll? Freut uns. Dann gerne nochmals ansehen. Und ruhig nochmal. Aber irgendwann ist es auch an der Zeit, die Oase des Wohlfühl-Komas wieder zu verlassen und hinaus in die kunterbunte Welt zu streben, um ein wenig Party zu machen. Spätestens dann, wenn Grossstadtgeflüster auf ihrer "Trips & Ticks"-Tour Halt in der nächstgelegenen Stadt machen. Aber keine Eile: Nach dem Boogaloo Open Air ist das erst wieder 2020 der Fall. Bis dahin lohnt es sich eh kaum, von der Couch aufzustehen.

Live:
14.09.2019 Pfarrkirchen - Bogaloo Open Air

26.03.2020 Bremen - Schlachthof
27.03.2020 Münster - Skaters Palace
03.04.2020 Erlangen - E-Werk
04.04.2020 Karlsruhe - Tollhaus
16.04.2020 Leipzig - Täubchenthal
17.04.2020 Hannover - Capitol
18.04.2020 Berlin - Columbiahalle
23.04.2020 München - Muffathalle
24.04.2020 Oberhausen - Turbinenhalle 2
25.04.2020 Wiesbaden - Schlachthof
30.04.2020 Hamburg - Docks
01.05.2020 Köln - E-Werk
07.05.2020 AT-Linz - Posthof
08.05.2020 AT-Wien - Arena
09.05.2020 AT-Graz - PPC

Badly Drawn Boy

2019-08-14 12:51:11

Selbst in Kreuzberg dürfte man die nur belächeln - selten wurde jedes Negativ-Klischee über bemüht coole Berliner Hipster so perfekt bedient wie von dieser Band, deren Mitglieder lieber zusehen sollten, dass sie ihr Sozial-Studium endlich abschließen.

Walt Whitman

2019-08-12 14:14:45

Sowas gibt es vermutlich alleine in Kreuzberg 3.897 Mal.
Nervig und banal.

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